Das Yakuza-Mal
ihnen eine große Karriere bevor. Dann brachte er sie nach Japan und schüchterte sie auf jede erdenkliche Weise ein - mit Schlägen, Morddrohungen und Drohungen mit der Polizei.
Wenn Shinoda schon nicht der Schlüssel zu der ganzen Sache war, dann konnte er ihm zumindest ein großes Stück weiterhelfen. Ajaccio hatte Mulvaney berichtet, womit Shinoda seine Brötchen verdiente. Die restlichen Details konnte sich Mulvaney aufgrund seiner langjährigen Erfahrung zusammenreimen. Die Suche nach einem Vermißten hatte sich schon einmal zu einem Doppelmord ausgeweitet. Das war damals, als er noch bei der Mordkommission gearbeitet hatte. Im Zuge der damaligen Nachforschungen hatte er auch die Praktiken kennengelernt, die im Mädchenhandel angewandt wurden. Bei dem Gedanken daran drehte sich ihm noch heute der Magen um.
So viele Teenager liefen von zu Hause weg, daß jemand, der eine Statistik darüber erstellen wollte, mit dem Zählen gar nicht mehr nachkäme. Manche machten sich wirklich nur aus dem Staub. Andere gingen gleich unter. Es gab einfach zu viele Männer, die junge Kost bevorzugten, Kerle, die es nur mit Jungfrauen treiben wollten und bereit waren, eine Menge Geld dafür hinzublättern. Und viele junge Mädchen wurden nach Übersee geschafft. Jill Linton hatte zur naiven Sorte gehört.
Nach ihrem Gesicht und Andys Schilderungen zu urteilen, nachdem sie mit Weinen aufgehört hatte, mußte Jill ungefähr neunzehn gewesen sein. Die Jill Lintons waren die Dummerchen, weil sie mit offenen Augen und einer Menge Illusionen in ihr Unglück rannten. Niemand mußte diese Mädchen mit Drogen vollpumpen, niemand mußte sie gewaltsam verfrachten. Irgend jemand steckte ihnen Flugtickets, Pässe und Visa zu und erzählte ihnen, eine großartige Karriere stehe ihnen bevor.
Aber niemand erzählte diesen Mädchen, daß zu dem Job auch Schläge und Hunger gehörten, wenn sie aufmuckten, und daß zu dem Job auch all der Schmutz gehörte, von dem ihre Eltern nie etwas hatten hören wollen. Wenn sie sich weigerten, das zu tun, was man von ihnen verlangte, oder so zu tun, als mache es ihnen sogar noch Spaß, dann erlebten sie Dinge, von denen auch ihre Eltern noch nie gehört hatten.
Jill Lintons Zimmer war zum Schlafen bestimmt, aber nicht, um die Nacht dort zu verbringen. Man hatte ihr dieses Rattenloch zugestanden, weil sie gehorchte und man ihr vertraute. Deshalb durfte sie sich eine eigene Wohnung nehmen, aber sie bekam nie genug Geld, um sich etwas anderes leisten zu können - wie zum Beispiel ein Flugticket nach Hause. Mädchen wie Jill riefen auch nicht Mami und Papi an, denn wenn zu Hause alles in Ordnung gewesen wäre, hätten diese Mädchen nicht von zu Hause fortzulaufen brauchen. Und so sanken diese Mädchen immer tiefer, und wenn sie dachten, daß sie jetzt am absoluten Tiefpunkt angelangt waren, sanken sie noch ein Stück tiefer.
Und Shinoda war der Berufsberater dieser Mädchen.
Mulvaney hatte sich nach dem Besuch in Jills Wohnung ans Steuer gesetzt. Andy weinte so sehr, daß sie kaum noch aus den Augen blicken konnte.
Nachdem sie sich unterhalten und gegessen hatten, ging es ihr wieder etwas besser. Sie saßen im Auto. Vermutlich wäre es Selbstmord gewesen, ins Hotel zurückzukehren, daher waren sie außerhalb der Stadt essen gegangen. Sie hatte nichts gegessen, ihm nur beim Essen zugesehen.
Er hatte zu viele schrecklich zugerichtete Leichen gesehen; wenn er jedesmal danach nicht hätte essen können, wäre er inzwischen der magerste Bursche in ganz Chicago. Er aß ein Steak und Kartoffeln und hatte sich ein Apfelküchlein zum Nachtisch bestellt, das sich jedoch eher als eine Apfelpastete erwies. Dann hatte er einen Kaffee und zwei Gläser Whisky getrunken (zwar nicht seine Marke, aber trinkbar). Er hatte seine letzten aus den Staaten mitgebrachten Zigaretten geraucht und sich dann für einen horrenden Preis eine neue Packung besorgt. Dann hatten sie sich ins Auto gesetzt und waren bis weit nach Einbruch der Dunkelheit in der Gegend herumgefahren. Es war mittlerweile so spät, daß außer Taxifahrern, Polizisten und Typen wie Shinoda niemand mehr arbeitete. Andy parkte den Wagen neben dem Gehsteig. Hier war nicht einmal ein Taxi zu sehen.
Mulvaney saß im Auto und beobachtete die Straße.
Er versuchte, den Scheibenwischer zu ignorieren.
Es regnete in Strömen. Die Scheibenwischer konnten jetzt gegen den strömenden Regen kaum mehr etwas ausrichten. Er konnte aber das Schild des Nachtclubs auf der
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