Das zarte Gift des Morgens
Jugend von heute.« Simonow wandte sich von Katja ab und Kolossow zu. »Dabei sieht sie aus wie ein Engel.«
»Waren Sie am Mittwoch, dem zwölften August, in der Wohnung von Frau Worobjowa?«, fragte Kolossow.
Simonow antwortete nicht.
»Meiner Meinung nach stellen Sie mir völlig falsche Fragen«, sagte er schließlich.
»Ich weiß schon, was ich Sie frage. Denken Sie daran, Ihre Fingerabdrücke werden gerade mit denen, die in der Wohnung von Frau Worobjowa gefunden wurden, verglichen.« Kolossow bluffte. Das daktyloskopische Material aus der Wohnung reichte für eine kriminaltechnische Auswertung gar nicht aus.
»Na schön, ich war bei ihr«, sagte Simonow. »Was ist schon dabei?«
»Wann waren Sie bei ihr? Die genaue Uhrzeit?«
»So gegen Mittag.«
»Das heißt, Sie haben das Restaurant gemeinsam verlassen?«
»Nein, wir sind getrennt gefahren.«
»Und wieso kam Frau Worobjowa an dem Morgen nach ihrer Nachtschicht ins Restaurant? Doch wohl in der Absicht, Sie dort zu treffen?« Kolossow stellte jetzt Frage auf Frage.
»Sie wissen ja sowieso schon alles. Offenbar haben Sie im Restaurant schon allen Klatsch und Tratsch gehört.« Simonow verzog das Gesicht. »Das ist ein Volk! Zungen wie Nattern, man sollte sie ihnen abschneiden . . . Ja, es stimmt. Lena wollte an diesem Tag zu mir.«
»Hatten Sie dieses Treffen vorher verabredet?«
»Nein, es ergab sich ganz spontan. Sie wusste, dass ich dort vormittags meist in der Bar saß. Lena war eine temperamentvolle und sehr eifersüchtige Frau, sie hatte plötzlich Sehnsucht nach mir, und da ist sie eben, ohne lange zu zögern, gekommen. Na, und dann haben wir uns bei ihr zu Hause getroffen.«
»Und weiter?«
»Was glauben Sie wohl?«, brummte Simonow unwirsch. »Blöde Frage.«
»Um wie viel Uhr sind Sie wieder gefahren?«, fragte Katja.
»Weiß ich nicht mehr. Gegen zwei vielleicht oder drei. Ich hatte in der Stadt noch geschäftlich zu tun.«
»Und Sie haben nicht mit Lena zusammen Grapefruitsaft getrunken?«, fragte Katja.
»Nein, wir haben keinen Saft getrunken.«
»Ist das hier Ihr Klunker?«, fragte Nikita und legte das goldene Medaillon mit der Patronenhülse auf den Tisch. »Der heilige Georg, Schutzpatron der Soldaten und also auch der Legionäre? Das stimmt doch?«
»Ach, mein Talisman ist wieder aufgetaucht!« Simonow schien sich ehrlich zu freuen. »Ich hatte mir schon den Kopf zerbrochen, wo ich ihn verloren haben könnte! Darf ich ihn mitnehmen?«
»Nein. Er gehört als Beweismittel zu den Akten. Wir haben ihn in der Wohnung Jelena Worobjowas nach ihrem Tod gefunden und beschlagnahmt. Sie geben also zu, dass er Ihnen gehört?«
›Ja, aber deswegen brauchen Sie mir nicht gleich einen Mord anzuhängen«, sagte Simonow. »Diesen ganzen faulen Zauber mit Beweismitteln, Fingerabdrücken, Grapefruitsäften kenne ich aus dem Effeff.«
»Woher?«, erkundigte sich Kolossow.
»Von der Schauspielschule. Und davor aus der Laienspielschar«, erwiderte Simonow bissig. »Ich sage Ihnen noch einmal: Sie fragen mich die falschen Sachen. Sie liegen völlig daneben. Ich warte die ganze Zeit auf die eine wirklich wichtige Frage, und wissen Sie, langsam steht mir das Warten bis hier.«
»Na, na, immer mit der Ruhe«, sagte Lessopowalow. »Das ist eine offizielle Ermittlung.«
»Aber Sie ermitteln vom falschen Ende her«, gab Simonow verächtlich zurück. »Sie klammern sich an verlorene Medaillons, Abchasien . . .«
»Haben Sie denn irgendwelche für uns nützlichen Informationen?«, fragte Nikita.
»Durchaus möglich. Kommt ganz drauf an, wie Ihre nächste Frage lautet.« Simonow zündete sich eine Zigarette an und schaute Kolossow abwartend an.
Die nächste Frage wurde jedoch von Katja gestellt.
»Sie waren Gast bei dem Abendessen im Restaurant, das die Sängerin Aurora gegeben hat. Hat Aurora selbst Sie eingeladen?«
»Natürlich. Das kleine Biest ist mir gegenüber nämlich nicht ganz gleichgültig.« Simonow wandte sich lebhaft an Katja. »Ich verrate Ihnen ein Geheimnis – gewöhnlich gefalle ich den Frauen auf den ersten Blick. Ihnen auch?«
»Ich bin mir noch nicht sicher«, antwortete Katja. »Ich glaube . . . Sie sind nicht ganz mein Typ. Mich hätte, wenn er noch am Leben wäre, mehr Ihr Freund Maxim Studnjow interessiert.«
»Aha, Sie haben es mehr mit den Schönlingen. Ihre Bettlektüre ist vermutlich entsprechend. Nein, wirklich, Sie enttäuschen mich. Eine Studnjow-Anbeterin! Na, über den Geschmack von Frauen lässt sich nicht
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