Das zarte Gift des Morgens
konnte sie nicht viel Sachdienliches beisteuern. Ja, Pjotr Mochow hatte gesagt, dass er zur Präsentation ins »Rashomon« eingeladen worden war, und er hatte auch des Öfteren davon gesprochen, dass man dort Gerichte aus Fugu-Fisch servieren würde. Hätte man im »Al-Maghrib« von dieser Präsentation im »Rashomon« wissen können? Natürlich, Mochow hatte nichts verheimlicht. Und auch ohne ihn hätten sie davon erfahren können, zum Beispiel durchs Internet, Saiko war ja auch zur Präsentation erschienen. Über Übelkeit hatte Mochow nicht ausdrücklich geklagt, aber er hatte sehr schlecht ausgesehen. Von irgendwelchen Verabredungen vor der Präsentation hatte er nichts erwähnt.
»Er hat überhaupt nicht viel mit mir geredet, mich nur angemeckert, ich solle ihn in Ruhe lassen«, erzählte Anfissa traurig. »Ich war richtig böse auf ihn, und jetzt tut mir das so Leid – wenn das Gift schon wirkte, dann war ihm natürlich nicht nach Reden.«
In diesem Moment rief Kolossow aus der Gerichtsmedizin an und teilte mit, dass eine große Dosis Thalliumsulfat in Mochows Körper festgestellt worden war.
»Der Pathologe sagt, dass proportional zur Erhöhung der Dosis sich die Intoxikationsdauer des gesamten Organismus um fast die Hälfte verkürzt«, erklärte er. »Das bedeutet, dass Mochow nicht sechs Stunden vor seinem Tod das Gift zu sich nahm, sondern nur eine oder zwei Stunden vorher. Es könnte ihm erst unmittelbar vor der Fahrt ins ›Rashomon‹ verabreicht worden sein. Vielleicht hat der Mörder genau das bezweckt – dass alle den giftigen Fisch für die Todesursache halten.«
Weiter sagte Kolossow, sie sollten heute Abend nicht mehr auf ihn warten – er werde von der Gerichtsmedizin aus direkt zu Mochows Wohnung und dann in die Redaktion seiner Zeitschrift fahren. Die Genehmigung für die Durchsuchung dieser Räume und die Beschlagnahme aller Dinge, die für die Ermittlungen relevant sein könnten, liege bereits vor.
›Ja, es sieht nicht gut aus«, meinte Lessopowalow abschließend, nachdem Anfissas Vernehmung beendet und sie nach Hause gefahren war. »Gerade als ich bei diesem Kritiker auf den Busch klopfen will, ob er Simonows Aussagen bestätigen kann – da beißt er ins Gras. Es ist wie verhext.« Lessopowalow seufzte bekümmert.
»Sie haben Simonows Aussagen also doch geglaubt, Kostja?«, fragte Katja.
»Anfangs, als er hier bei uns war, noch nicht, aber jetzt, nach der dritten Leiche kurz hintereinander, kommen mir Zweifel, und ich denke – verdammt, vielleicht hat er ja Recht. . . Ich habe lange überlegt: Unser wichtigster Trumpf ist trotz allem immer noch der reiche, eifersüchtige Ehemann Gussarow. Nur warum, zum Teufel, sollte er eine so alberne Komödie auffuhren? Selbst wenn er sich rächen wollte . . . Die Worobjowa engagieren, ihren Bruder das Gift besorgen lassen -und alles nur, um irgend so einen Grünschnabel umzubringen, der mal mit seiner Ex ins Bett gehüpft ist. Nein, das ist unlogisch und viel zu kompliziert.« Lessopowalow schob Kalja einen Becher mit Kaffee zu. »Trinken Sie, solange er noch heiß ist. Aber wenn wir mal einen Augenblick den Aussagen unseres Abchasienkämpfers glauben, dass dieses Fischzeugs, wie zum Kuckuck hieß es doch gleich . . .«
»Tajin«, soufflierte Katja.
»Genau, wenn also dieses Tajin mit Thallium vergiftet war und die Worobjowa es nicht Studnjow, sondern Auroraserviert hat, dann . . . Für den Mord am Liebhaber der Ehefrau einen Killer zu engagieren, finde ich persönlich dumm, reine Geldverschwendung. Aber die teure Gattin selbst beseitigen zu lassen, die bei der Scheidung Anspruch auf Vermögensteilung erhebt, ist weit klüger und logischer.«
»Und wenn der Auftraggeber für den Mord nicht Gussarow war?«
»Ihn kann ich mir einfach am besten in dieser Rolle vorstellen. Erst recht natürlich, wenn das Gift gar nicht für Studnjow bestimmt war, sondern für die Sangesmieze selbst. Ja, inzwischen glaube ich, dass Simonow die Wahrheit gesagt hat. Ich habe schon so viele von seiner Sorte gesehen, Katja. Die sind und bleiben Legionäre – Draufgänger. Wenn so einer schießt, dann trifft er, und bei den Frauen lässt er nichts anbrennen, erst recht nicht bei so einer reichen Tussi wie die aus dem Restaurant. Und was ist Schlimmes daran, sich ein oder zwei Jahre als Gigolo durchzuschlagen? Aber dass so ein Terminator durch kompliziert ausgetüftelte Lügengeschichten auffällt, dürfte eher selten sein. Ja, und wozu sollte sich Simonow
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