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Das zarte Gift des Morgens

Das zarte Gift des Morgens

Titel: Das zarte Gift des Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanova
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gefahren, wo er von den Angestellten erfuhr, dass Mochow seinen letzten Abend hier im Restaurant verbracht hatte, in der Gesellschaft von . . . Serafim Simonow.
    »Irgend so ein Ausländer hat seine Hochzeit gefeiert und dafür das ganze Restaurant gemietet«, berichtete Lessopowalow. »Die beiden waren zu zweit in einem separaten Raum und haben da ausgiebig gebechert. Anschließend ist Mochow weggefahren, Simonow ist noch geblieben und hat im Speisesaal fast eine Schlägerei angezettelt.«
    »Womit ist Mochow weggefahren? Mit einem Taxi?«, fragte Nikita.
    »Warte mal eben, ich frage nach.«
    Kurz darauf rief Lessopowalow wieder an und teilte mit, Mochow sei mit seinem eigenen Auto, einem stahlgrauen VW Golf, weggefahren.
    »Ich wusste gar nicht, dass er ein Auto besitzt«, sagte er. »Allerdings hat ja heute fast jeder einen fahrbaren Untersatz. Du musst mit seinem Vater sprechen – bring in Erfahrung, was das für ein Wagen ist und wo er gewöhnlich steht. Damit alles seine Ordnung hat.«
    Eigentlich war es jetzt nicht die vorrangige Aufgabe, Erkundigungen über den Wagen einzuziehen, aber Nikita tat es trotzdem. Nach der Aussage von Mochows Vater war sein Sohn auch an diesem Morgen mit dem eigenen Auto weggefahren – ungefähr um neun Uhr früh. Interessant, dachte Nikita, und wo ist der Golf jetzt? Vor seinem Haus steht er nicht, bei der Redaktion auch nicht, vielleicht parkt er ja immer noch vorm »Rashomon« . . .
    Es sollte später Abend werden, bis die Durchsuchungen und Verhöre endlich abgeschlossen waren und Nikita sich nach Serebrjany Bor zum »Rashomon« aufmachen konnte. Mochows stahlgrauer VW stand tatsächlich noch auf dem Parkplatz des Restaurants. Nikita ging um den Wagen herum, zog an den Türen. Abgeschlossen. Die Alarmanlage war eingeschaltet. Er holte sein Telefon heraus und rief den nächsten Verkehrsposten an. Die Männer versprachen, innerhalb einer Viertelstunde da zu sein. Alles war still und dunkel, die Moskwa strömte ruhig und kühl dahin. Keine Passanten, keine Autos. Die im Hightech-Stil gestalteten Schaufenster des »Rashomon« waren dunkel. Das Restaurant war geschlossen worden, bevor es noch richtig hatte aufmachen können.
    Durch die Windschutzscheibe schaute Nikita ins Innere von Mochows Auto. Gab es überhaupt eine Verbindung, fragte er sich, zwischen diesem Wagen und den Todesfällen, zwischen den beiden Restaurants, den widersprüchlichen Zeugenaussagen . . . Drei Menschen waren mit dem gleichen Gift umgebracht worden – das war alles. Ja, und die drei hatten einander gekannt und regelmäßig denselben Ort besucht – das »Al-Maghrib«. Außerdem gab es einen Zeugen, der behauptete, er habe gesehen, dass die vergiftete Speise gar nicht für das erste Opfer bestimmt gewesen sei, sondern für eine ganz andere Person.
    Warum hatte Simonow ihnen das alles erzählt? Und warum erst heute und nicht schon früher? Vielleicht, weil sie Mochow nun nicht mehr dazu befragen und so seine Aussagen überprüfen konnten? Schließlich hatten die beiden ja den ganzen Abend vor Mochows Tod miteinander verbracht. Allerdings hatte das Gutachten zweifelsfrei festgestellt, dass Mochow das Gift erheblich später verabreicht worden war, nicht am Vorabend, sondern erst am Tag seines Todes. Nichts als Unklarheiten und Ungereimtheiten . . .
    Zwischen dem Mord an Jelena Worobjowa und an Mochow gab es auch keinen erkennbaren Zusammenhang. Außer dass Mochow die ganze Familie Worobjow schon seit langem kannte. Vielleicht wollte jemand auf diese Weise alle zu den Worobjows führenden Spuren verwischen?
    Nikita betrachtete die dunklen Silhouetten der Bäume. Ein vertrackter Fall. Er hatte es gleich geahnt – so einfach würde das alles nicht aufgehen. Wie immer bei Giftmorden. Sie enden erst dann, wenn das Gift selbst verbraucht ist. . . oder wenn das Hauptziel erreicht wird, dessentwegen das Gift überhaupt erst ins Spiel gebracht wurde. Nur – was war denn eigentlich das Hauptziel des Giftmörders?
    Der Streifenwagen kam. Sie brachen Mochows Auto auf. Im Innern war alles leer, wie ausgefegt. Kolossow überprüfte das Handschuhfach – ein unordentlicher Haufen Straßenkarten, Mentholkaugummi für Diabetiker, ein Paar alte Lederhandschuhe. Er langte tief hinein und beförderte alle diese unnützen Gegenstände nach draußen. Unter den Handschuhen lag eine Diskette.
    Der Golf wurde auf den Parkplatz des nächsten Verkehrskontrollpostens gebracht. Auf dem uralten, heruntergekommenen Computer der

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