Das zarte Gift des Morgens
»Sonst machst du es nur schlimmer. Das hier ist nur der Anfang, das Ende wartet in der Zelle.«
»Ich kenne keinen Studnjow«, stöhnte Worobjow. »Ich wollte nichts Böses, ich dachte nicht. . .«
»Nichts Böses?!«, explodierte Lessopowalow. »Zwei Menschen sind mit einem Gift ermordet worden, zu dem du, Bürschchen, freien Zugang hast.« Er hob drohend den Finger. »Und hier riecht es nicht nur nach Mord, sondern nach etwas noch Schlimmerem. Bis jetzt unterliegt euer Betrieb nämlich noch der höchsten Geheimhaltungsstufe.«
»Ich wollte wirklich nichts Böses.« Worobjow wandte sich jetzt ausschließlich an Kolossow – Lessopowalow und die schweigsamen Männer in Grau schüchterten ihn sichtlich ein. »Nicht im Traum hätte ich gedacht. . . Sie hat mich gebeten, sie selbst. . .«
»Wer? Worum?«, kläffte Lessopowalow.
»Lena. Sie bat mich, es ihr zu beschaffen . . .«
»Erzählen Sie der Reihe nach, Juri, was geschehen ist. Ich bin überzeugt, gemeinsam werden wir alles aufklären«, redete Kolossow ihm freundlich zu.
»Gut, ich will Ihnen alles erzählen, die ganze Wahrheit. Lena hat mich gebeten, ihr das Thallium zu besorgen.«
»Woher wusste Ihre Schwester denn davon?«
»Ich habe ihr selbst davon erzählt. Gleich als ich nach dem Studium die Stelle hier am Labor bekam . . . Zuerst gefiel mir die Arbeit nicht. Meine Mutter war dagegen, und Lena auch, besonders als ich erzählt habe, dass man hier manchmal mit giftigen Präparaten zu tun hat.«
»Wann genau haben Sie Ihrer Schwester von dem Thallium erzählt?«, fragte Lessopowalow.
»Das ist schon länger her, sicher ein halbes Jahr. Ich wollte weg von hier, habe im Internet nach einer anderen Stelle gesucht.«
»Und wann hat Jelena Sie gebeten, ihr dieses Präparat zu beschaffen?«
»Vor drei Wochen, Mitte Juli.«
»Hat sie erklärt, wozu sie das Gift brauchte? Aber flunker uns jetzt nicht vor, sie hätte gesagt, dass sie damit die Ratten im Restaurant vergiften wollte«, knurrte Lessopowalow.
»Ich weiß nicht, wozu sie es brauchte«, presste Worobjow hervor. »Sie hat es mir nicht gesagt.«
›Juri, Sie haben immer noch nicht begriffen. Es liegt in Ihrem eigenen Interesse, uns die Wahrheit zu sagen.« Kolossow seufzte mitleidig. »Sie können sich dadurch viele Unannehmlichkeiten ersparen.«
»Lena hat mir gesagt, ich könnte . . . und sie auch . . . wir könnten damit eine Menge Geld verdienen.« Die Stimme des Jungen zitterte. »Sie hat gesagt: Es gibt jemanden, der für eine Dosis dieses Präparats viel Geld bezahlt.«
»Sie wissen über die Wirkung von Thallium auf Menschen Bescheid?«, fragte Kolossow.
Worobjow nickte.
»Und Sie haben auch eine Vorstellung davon, welche Dosis tödlich ist?«
»Natürlich, ich arbeite ja mit diesem Präparat und mit Lösungen auf seiner Basis. Wir haben detaillierte Sicherheitsvorschriften«, murmelte Worobjow.
»Hat Ihre Schwester Sie gebeten, ihr eine tödliche Dosis zu besorgen?«, fragte Lessopowalow. »Welche Menge Thallium haben Sie ihr gegeben?«
Worobjow nannte die Dosis, und an den sich augenblicklich verfinsternden Mienen seiner Kollegen vom FSB erkannte Nikita, dass diese Menge locker für ein Dutzend Morde reichte.
»Wie viel Geld hast du dafür bekommen?«, fragte Lessopowalow hartnäckig weiter.
»Dreihundert Dollar.«
»Und wie viel hat deine Schwester bekommen?«
»Sie hat gesagt, genauso viel, jeder das Gleiche.« Worobjow schluchzte auf. »Woher sollte ich denn wissen, dass alles so schrecklich enden würde? Ich dachte, es wäre bloß . . .«
»Bloß was? Ein harmloser Diebstahl, ja?« Lessopowalow schnaubte.
»Für wen war das Präparat denn bestimmt? Wer hat Ihrer Schwester den Auftrag gegeben, es zu beschaffen, und wer hat Sie beide bezahlt?«, fragte Kolossow.
»Das weiß ich nicht! Ehrenwort!«
»Wo und wie haben Sie Ihrer Schwester das Gift übergeben? Wo haben Sie das Geld dafür bekommen?« Kolossow empfand Mitleid und Widerwillen zugleich gegenüber diesem nervösen Muttersöhnchen.
»Ich habe das Präparat in einem Behälter mitgenommen, in so einer kleinen Dose«, Worobjow schluchzte wieder, »und es Lena gegeben. Am Wochenende ist sie dann gekommen und hat mir die dreihundert Dollar gebracht. Ich brauchte damals dringend Geld. Meine Clique wollte auf die Krim fahren, und ich wollte auch mit.«
»Und, bist du mitgefahren?«, fragte Lessopowalow.
»Nein, man hat mir keinen Urlaub bewilligt. Wir hatten einen dringenden Auftrag bekommen, und alle mussten
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