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Das zarte Gift des Morgens

Das zarte Gift des Morgens

Titel: Das zarte Gift des Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanova
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ihren Urlaub bis September verschieben.« Wieder schniefte Worobjow jämmerlich. »Und dann ist Lena gestorben . . . Ich bin fast verrückt geworden. Hätte ich gewusst, dass es für einen Mord bestimmt war, dann hätte ich doch niemals . . . Ehrenwort . . . Ich habe mir einfach nichts Böses dabei gedacht.«
    »Woran hast du denn überhaupt gedacht? Was hat man dir in fünf Jahren an der Universität beigebracht?« Lessopowalow wurde wütend. »Wirklich, ein sauberes Pärchen, der Bruder nicht besser als die Schwester . . .«
    »Sprechen Sie nicht so von Lena, sie ist schließlich tot!«, schrie Worobjow hysterisch.
    »Ja, tot. Und wer ist daran schuld? Wer hat das zu verantworten?« Lessopowalow kam immer mehr in Rage. »Er hat sich nichts Böses dabei gedacht, ach wirklich . . .«
    »Wann haben Sie Ihre Schwester das letzte Mal gesehen?«, fragte Kolossow.
    »Als sie mir das Geld gebracht hat, vorletzten Sonntag«, erwiderte Worobjow dumpf.
    »Und letzten Mittwoch waren Sie nicht bei ihr in der Wohnung, hier in Moskau?«
    »Nein, ich war überhaupt nur ein einziges Mal in ihrer Wohnung, das war bei ihrem Umzug. Ich habe ihr geholfen, ihre Sachen zu transportieren.«
    »Gehört das hier vielleicht Ihnen, Juri?« Kolossow zeigte ihm das goldene Medaillon mit der Patronenhülse.
    »Nein. Das ist nicht meins.« Worobjow starrte den goldenen Anhänger erschrocken an. »Ich bin doch keine Frau, solche Klunker trage ich nicht.«
    »Na schön, dann ist das also nicht Ihres«, sagte Kolossow friedlich. »Und zu Ihrer Schwester hatten Sie auch nicht viel Kontakt. Aber dass sie ein Kind erwartete, das wussten Sie doch hoffentlich?«
    Ein überraschter, entsetzter, ungläubiger Blick – nein, das hatte Worobjow offensichtlich nicht gewusst.
    »Was reden Sie da?«, rief er. »Ein Kind, von wem? Lena war doch gar nicht verheiratet.«
    Nikita und Lessopowalow wechselten einen Blick: War er wirklich so naiv, oder spielte er nur den Deppen?
    »Vielleicht hatte sie ja einen Freund? Haben Sie sie mal mit jemand zusammen gesehen?«, fragte Nikita.
    Worobjow schüttelte schweigend den Kopf. Aber dann nickte er plötzlich.
    »Einmal habe ich gesehen, wie sie bei jemandem im Auto saß, es war ein ausländischer Wagen«, sagte er rasch. »Ein großes, teures Auto, ich glaube, ein Jeep. Das war noch vor der Geschichte mit dem Thallium. Ich habe abends vor dem Restaurant auf Lena gewartet, ich brauchte Geld und wollte mir von ihr was leihen. Sie kam mit jemandem angefahren, und es war merkwürdig, sie stieg nicht vor dem Restaurant aus, sondern an der Brücke und ging zu Fuß weiter. Der Wagen ist dann aber bis vors Restaurant gefahren. Ich dachte noch, dass sie, also Lena und der Mann, der den Wagen fuhr, nicht wollten, dass man sie im Restaurant gemeinsam sieht.«
    »Und wer war dieser Mann? Wer fuhr den Wagen?«, fragte Lessopowalow.
    »Ich weiß nicht, ich habe ihn nicht richtig gesehen.«
    »Welche Automarke?«
    »Ich kenne mich mit Autos nicht aus. Ein Geländewagen. So ein massives Ding.« Worobjow schaute Kolossow verstört an. »Was . . . Was geschieht denn nun mit mir?«
    »Sie fahren jetzt mit uns ins Präsidium«, sagte Nikita. »Dort setzen Sie sich in eine Kabine und schreiben ein umfassendes Geständnis für den Staatsanwalt. Schildern Sie alles so, wie es war. Ich denke, wenn Sie das dann unterschreiben, wird es vorläufig reichen und man wird Sie nicht festhalten. Aber das gilt nur für den Fall, Juri, dass alles, was Sie uns erzählt haben, wirklich der Wahrheit entspricht. Haben Sie verstanden?«
    Worobjow nickte mechanisch.
    Im Präsidium quälte er sich lange mit der Niederschrift des »umfassenden Geständnisses« ab. Anschließend brachten Kolossow und Lessopowalow ihn mit dem Auto zurück nach Hause, nach Pirogowskoje. Es wurde bereits dunkel.
    »Merk dir, Junge«, schärfte ihm der etwas zugänglicher gewordene Lessopowalow unterwegs ein, »dein Schicksal hängt jetzt nur von dir selber ab. Und von uns natürlich. Bete zum Himmel, dass wir diesen Typ finden, der euch das Geld für das Gift bezahlt hat. Wenn wir den nicht fassen, sieht es schlimm für dich aus. Dann kann es passieren, dass beim Prozess alles an dir hängen bleibt. Deine Schwester kann aus dem Grab heraus nicht mehr für dich aussagen.«
    »Aber ich habe niemanden umgebracht! Alles, was ich weiß, habe ich aufgeschrieben.«
    »Wir glauben dir ja auch. Und deshalb fährst du jetzt heim zu Mama und trinkst Tee.« Lessopowalow schlug Worobjow auf die

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