Das Zaubergift
Traditionalisten lächerlich zu machen.
»Häuser von ausländischen Botschaftern werden ausgeraubt!«, dröhnt er im Senat. »Dem König wird sein Gold gestohlen! Ehrliche Bürger werden auf der Straße brutal ermordet! Boah verbreitet sich wie eine Seuche in der Stadt! Und was unternehmen unsere Regierungsvertreter angesichts dieser Krise?«
Damit war die Rede längst noch nicht am Ende. Der Chronist gibt sie wortwörtlich wieder, und natürlich bereitet sie jedem Bonzen von Konsul Kahlius an abwärts Kopfschmerzen. Senator Lohdius’ Populäre Partei musste zwar bei der letzten Wahl vor einigen Wochen eine leichte Schlappe einstecken, aber er hat immer noch viel Einfluss in der Stadt. Und er kann eine Menge Probleme machen, wenn es ihm gelingt, den Mob aufzustacheln. Also schiebt die Zivilgarde Überstunden bei dem Versuch, ein paar der besonders skandalösen Verbrechen aufzuklären.
Ich verlasse Inkorruptox, der mürrisch einen Stapel Zeugenaussagen durchblättert, die zu einem Mord im Hafenviertel gemacht wurden. Dabei ging es um Boah. Und laut der Aussagen hat keiner der Zeugen irgendetwas gesehen. Eine um sich greifende Sehschwäche, die immer dann eintritt, wenn mächtige Boah-Banden ihre Meinungsverschiedenheiten mit Gewalt austragen.
Wenn ich etwas hätte, das Lolitia gehört, ließe sich vielleicht ein Zauber spinnen, mit dem ich sie aufspüren könnte, aber ich habe nichts. Ich gehe zum Haus des Bildhauers zurück, aber es ist verschlossen und streng bewacht. Ich kann flehen und betteln, so viel ich will, sie lassen mich nicht mehr hinein. Jetzt verwünsche ich mich für meine Dummheit, dass ich nichts mitgenommen habe, als ich die Chance dazu hatte. Aber die Zauberer der Garde dürften in dieser Richtung auch keine Fortschritte machen, weil die Monde erst in mehreren Monaten wieder in die richtige Konstellation treten. Nur leider hat Gesox nicht mehrere Monate Zeit.
Darüber beschwere ich mich bei Astral Trippelmond.
»Jedes Mal, wenn ich jemanden schnell finden muss, stehen die Monde irgendwie ungünstig zueinander. Die Zauberei ist ziemliche Scharlatanerie, wenn es darum geht, Verbrechen zu lösen.«
»Nicht immer. Ich habe Euch in der Vergangenheit schon einige schöne Lösungen präsentiert.«
Das muss ich zugeben. Außerdem ist es auch ganz gut, dass man mit Zauberei nicht alle Verbrechen in der Stadt lösen kann. Sonst wäre ich bald arbeitslos.
Astral sucht ganz Turai nach der Statue ab – vergeblich. Das scheint noch einmal zu bestätigen, dass sie mittlerweile weit weg ist, aber es bleibt ein Geheimnis, wie das geschehen konnte. In der Rächenden Axt heule ich mich über meine mangelnden Fortschritte bei Makri aus.
Das einzige Berichtenswerte ist, dass man mich verfolgt.
»Du wirst verfolgt? Von wem?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe bisher nicht mal ein Härchen von ihnen gesehen. Aber ich fühle es.«
»Hast du es schon mit Kuriya probiert?«
Ich schüttele den Kopf. Kuriya ist eine dunkle, geheimnisvolle Flüssigkeit, die manchmal mit einem Bild als Antwort auf eine Frage aufwartet, vorausgesetzt, der Fragende kann richtig mit ihr umgehen. Ich kann aus dieser schwarzen Brühe gelegentlich ganz passable Resultate hervorzaubern, obwohl mich das zurzeit vollkommen auslaugt. Es funktioniert jedoch nicht immer, und die Flüssigkeit, die von einem Monopolisten aus dem Weiten Westen importiert wird, ist sündhaft teuer. Was bedeutet, dass ich nur einen Versuch habe. Und ich würde mir lieber Informationen über Gesox verschaffen als darüber, wer mich verfolgt. Den kann ich mir immer noch persönlich zur Brust nehmen, wenn er erst mal sein Gesicht gezeigt hat.
Ich trinke mein Mittagsbierchen. Leider kann ich weder mit Gesox reden noch irgendwelche Zeugen finden, die wissen, was geschehen ist. Meine Gedanken kehren zu Rodinaax’ Frau Lolitia zurück. Vielleicht gibt mir das Kuriya ja einen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort. Das wäre einen Versuch wert.
Es dauert ziemlich lange, bis ich mich in den erforderlichen Bewusstseinszustand versetzt habe. Im Idealfall sollte ein Zauberer in einer friedlichen, ruhigen Umgebung arbeiten, aber in Zwölf Seen gibt es generell nur sehr wenig Ruhe. Die Fischverkäufer, Boah-Händler und Huren wetteifern lautstark in dem Bemühen, ihre Waren feilzubieten. Streunende Hunde knurren sich an und kämpfen miteinander, Kinder spielen kreischend im Dreck, und Frauen feilschen lautstark mit den Gemüsehändlern. Abgesehen von diesem Lärm hört man
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