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Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Titel: Das Zeichen der Schwalbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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Kutsche und aus unserem schönen Haus verschwanden die Möbel.
    Die Wut meines Vaters richtete sich vor allem auf mich. Er nannte mich den protestantischen Welpen einer protestantischen Hündin und sagte, man hätte mich besser gleich nach meiner Geburt ertränkt, statt mich auf Kosten seiner Familie wie eine Prinzessin leben zu lassen. Er verbrachte immer weniger Zeit mit meiner Mutter, höhnte sogar, dass er lieber die hässliche Erbin umwerben würde, von der seine Familie hoffte, dass er sie heiraten würde. Gläubiger kamen in unser Haus und forderten Geld von meiner Mutter, das wir schon längst nicht mehr hatten.
    Sie wurde krank und die Ärzte konnten sie nicht retten. Es war, als hätte sie keine Lebenskraft mehr. Mein Vater verkaufte das Haus, doch den Erlös hatte er schnell verspielt. Die hässliche Erbin heiratete einen anderen und mein Vater begann, mich mit berechnendem Blick zu betrachten. Obwohl er mich hasste, behielt er mich bei sich. Ich achtete sehr genau darauf, dass ich in seiner Gegenwart kein Wort sprach.
    Am Hofe versuchte er, die Gunst des Königs zu erlangen und einen hoch bezahlten Posten zu bekommen, doch er hatte keinen Erfolg. Beim Glücksspiel wurde er immer waghalsiger und verzweifelter. Wir wechselten ständig unseren Wohnort, unsere Unterkunft wurde von Mal zu Mal schäbiger. Er konnte es sich zwar nicht leisten, mit dem König und seinem Gefolge durch das Land zu ziehen, doch wenn er in Madrid residierte, zog er seine letzten feinen Kleider an und wich den mächtigen Höflingen nicht von der Seite, in der Hoffnung auf ihre Gunst und ihren Einfluss. Damals lebten wir in zwei dunklen, schmutzigen Räumen in einer Straße, die von den schrillen Rufen der Prostituierten widerhallte, die ihre entstellten Gesichter im Schatten verbargen. Tagsüber wurde ich in eine Armenschule geschickt, doch sonst war ich jeden Tag lange Zeit allein. Oft war es kalt und ich hatte Hunger, außer bei den seltenen Gelegenheiten, wenn mein Vater mich anwies, mich mit dem wenigen, das ich besaß, herauszuputzen und mein Haar wie einen Umhang über die Schultern zu kämmen. Dann nahm er mich mit an den Hof.
    Dort hielt ich die Augen gesenkt und sprach nur, wenn es nötig war, eine direkte Frage zu beantworten. Ich spürte, dass ich anfing, die Aufmerksamkeit einiger Leute auf mich zu ziehen. Eines Tages begleitete ein älterer Mann, ein Grande, der sich bisher von den Annäherungsversuchen meines Vaters abgewandt hatte, meinen Vater nach Hause. Ich wurde in das kalte Zimmer gerufen, das mein Vater sarkastisch als den »Salon« bezeichnete. Der Mann, der mir sehr alt vorkam, hatte einen durchdringenden Blick und feuchte rote Lippen. Ich mochte ihn nicht. »Mach deinen Knicks!«, befahl mein Vater.
    Der Mann betrachtete mich kritisch. Er wies mich an, im Raum umherzugehen, dann rief er mich zu sich und befühlte mein Haar. Seine Finger krochen über meinen Kopf wie Rattenpfoten. Ich schrak vor seiner Berührung zurück, doch er wand sich eine Locke um den Finger und zog so heftig daran, dass mir Tränen in die Augen traten. Er lächelte, als ich versuchte, von ihm loszukommen.
    »Wie die Mutter, so die Tochter«, sagte mein Vater. »Ihr werdet nicht viele Mädchen mit solchem Haar sehen.«
    »Möglich. Aber sie ist trotzdem nicht so viel wert, wie Ihr meint. Wie alt?«
    Ein listiger Blick stahl sich in das Gesicht meines Vaters. »Erst elf.« Das wunderte mich, denn ich war vierzehn Jahre alt. »Manchen Herren, die sie gerne jung und unberührt haben, ist sie eine Menge wert. Ich habe mehrere Angebote, aber da Ihr ein Kenner seid, dachte ich, dass Ihr ihre Jugend vielleicht besonders zu schätzen wisst. Entweder Ihr nehmt meine Bedingungen an oder ich bringe sie zu El Patr ó n …«
    Ich habe erst später erfahren, dass El Patr ó n der Name eines bedeutenden Hurenmeisters in Madrid war, doch ich spürte sofort, dass ich nicht zu ihm gehen wollte, wer immer er war.
    Einen Moment lang erwiderte der Gast meines Vaters seinen Blick und zuckte dann die Schultern. »Pah! Das werde ich Euch geben.« Er warf einen Lederbeutel auf den Tisch. Mein Vater konnte sich nicht mehr gleichgültig stellen und griff hastig danach. Es sah aus, als sei viel Geld in dem Beutel, doch mein Vater warf ihn dem Mann zurück. »El Patr ó n hat das Doppelte geboten.«
    Der alte Mann starrte mich eine Weile an, als überlegte er, dann stand er auf, nickte kalt und ging.
    »Wer war das, Papa? Wird er wiederkommen?«, wagte ich zu fragen,

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