Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
Schiff, auf dem unsere Mission unterwegs war, könnte der Wind ebenfalls Richtung Westen getrieben haben?«
»Wenn es einmal geschehen ist, warum sollte es dann nicht wieder geschehen?«, erwiderte Esperanza.
Die Äbtissin entließ auch sie.
Sie sah ebenso verstört aus, wie ich mich fühlte. »Spanische Nonnen in Neu-Spanien? Unsere Mission nicht ertrunken oder von Piraten gefangen genommen? Und der Name – Sors Santas de Jes ú s? Und der Bischof wusste nichts davon?«
Wir saßen da und überlegten, was dagegensprach. Schließlich meinte die Äbtissin: »Wenn es stimmt, so ist es ein Wunder.« Solche Nachricht, nach dreißig Jahren der Trauer! Wir wagen nicht zu hoffen und tun es trotzdem. Sobald die Straßen passierbar sind, wird die Äbtissin einen Brief an das Kloster senden, das unseren Namen trägt.
Der Tag, an dem Sor Serafina die Profess ablegte, war ein Freudentag für uns alle und beim festlichen Bankett wurde mehr Wein zugeteilt als sonst. Und getrunken.
Mögen jene, die dies lesen, für die Heiligen Schwestern Jesu beten, wo immer sie auch sind. Gott ist groß!
KAPITEL 19
Aus der Chronik der Sors Santas de Jes ú s, Kloster Las Golondrinas, Andalusien, Frühjahr 1552
Ein Jahr ist vergangen, seit die Äbtissin an das Kloster der Hei ligen Schwestern Jesu, Las Golondrinas in Neu-Spanien in der Nähe der Anden, geschrieben hat. Nach dem Winter ist die Straße nun wieder passierbar. In der vergangenen Woche feierten wir Ostern und nun haben wir alle Hände voll zu tun, das Kloster auf die Pilger vorzubereiten, die nach der Semana Santa kommen. Das Hospital wurde von oben bis unten geschrubbt, die Laienschwestern, die sich um die Unterkünfte für die Männer und Frauen kümmern, haben in ihrem Lagerraum frische Strohmatratzen gestapelt, während die Pilgerzellen mit Betten, frischer Bettwäsche und Kerzen für unsere höher gestellten Besucher hergerichtet sind. Die Schlagläden sind geöffnet, die Frühlingswinde haben die rauchige Winterluft herausgepustet und das Kloster duftet nach Bienenwachs und Lavendel. Im Kreuzgang sind die Rosen und Kräuter beschnitten, die Wege sind gefegt. Im Pilgergarten blühen die Orangenbäume und das Muschelbecken unter der kleinen Quelle ist saubergescheuert. Auch die Jasminranke, die über der Felsspalte gewachsen ist, blüht und Rosmarin und Lavendel haben neue grüne Triebe.
Luz hat das Geschenk für die Königin fertig, mit dem sie den ganzen Winter über beschäftigt war: ein wunderbar gearbeitetes Altartuch aus einem Stück zarten, mit Spitze besetzen Leinen, mit flink dahinfliegenden Schwalben und einem zierlichen Schwalbennest, das die Initialen der Königin trägt. Es wurde zusammen mit einigen Rosmarinzweigen und einem respektvollen Brief losgeschickt, in dem wir Ihrer Majestät für die Güte ihres Schutzes danken und ihr versichern, dass wir unablässig für ihr Seelenheil und ihr körperliches Wohl und für die Bekehrung der Eingeborenen in den spanischen Kolonien in Amerika beten.
Die Schwester, die für unsere Hühner und Ziegen zuständig ist, reibt sich zufrieden die Hände, so zahlreich ist ihr Zuwachs. Für das Festessen zu Ostern wurden viele neue Lämmer gemästet. In der Küche wird eifrig gebacken und der Geruch der polvor ó nes mischt sich mit dem unseres alltäglichen Brotes. Das Silber in der Kapelle ist poliert, die Altarwäsche gewaschen und ausgebessert und die Dörfler haben uns zwei Fässer Wein vom vergangenen Herbst gebracht. In der Sakristei liegt ein Vorrat von Hostien, in ein Leinentuch eingeschlagen, bereit. Im Hospital haben die Schwestern saubere Binden, Wundsalben, Heiltränke und Tinkturen vorbereitet. Krankheit im Winter sorgt für manche Pilgerreise im Sommer.
Als ich heute zur Äbtissin ging, war ich überrascht und erschrocken, als ich auf der anderen Seite des locutio einen sehr schmutzigen und ziemlich wild dreinblickenden Mann sah. Seine schäbige Kleidung wurde in der Mitte von einem Strick zusammengehalten und ich dachte zuerst, er müsse einer der Einsiedler sein, die von Zeit zu Zeit den Weg zu uns finden, wenn ihnen nach ein wenig Gesellschaft und richtigem Essen zumute ist. Die Äbtissin winkte mich zu sich und murmelte: »Die Pförtnerin hat ihm heute Morgen das Tor geöffnet und er redete wirr, bestand darauf, dass er jemanden finden müsse, dass er es der Äbtissin sagen müsse. Die Pförtnerin schlug ihm vor, dass er erst einmal ins Pilgerquartier gehen und etwas essen und sich ausruhen solle, doch er
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