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Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Titel: Das Zeichen der Schwalbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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erklärte ich hastig, dass er uns gemeinsam mit einem anderen Mann zu Hilfe geeilt sei und uns zu einem Kloster gebracht habe, in dem seine Cousinen als Nonnen lebten. Cacique hatten die Damen im Kloster ihn genannt. Was bedeutete das?
    »Es ist die Bezeichnung für Adelige der Inkas«, sagte die Oberin. »Bei den Inkas ist der Adel ebenso stolz auf seine Reinbürtigkeit, seine limpieza de sangre , wie jeder Spanier mit einem weit zurückreichenden christlichen Familiengeschlecht. Normalerweise nehmen Klöster nur reinrassige spanische Mädchen als Nonnen auf, die Töchter der hidalgos , doch für die caciques werden Ausnahmen gemacht. Einheimische Frauen niederer Stände treten dem Kloster als Dienerinnen bei oder bisweilen als Beatas, doch niemals als Nonnen. Auf Abstammung, Blut und Familienehre wird hier viel Wert gelegt, meine Liebe. Eine Tochter als Nonne ist ein Beweis für die Bedeutung der Familie, für ihre gute Erziehung und ihren Glauben. Ich nehme an, in Spanien ist es auch so, nein?«
    Ich nickte.
    Die Oberin runzelte die Stirn. »Don Miguels Vater stammte vom letzten Sapa Inka ab. Don Miguel hat sein Blut und seinen Stolz geerbt und brütet über die Ungeheuerlichkeiten der Konquistadors, über die grausame Behandlung der Indianer. Es gibt Gerüchte, er plane einen Umsturz und unterstütze Rebellengruppen in den Bergen. Das ist eine ernste Angelegenheit; es hat viele Revolten gegen die Spanier gegeben, und das weiß Gott aus gutem Grund, sodass die Landbesitzer, die von Sklaven und Indianern umgeben sind, in ständiger Angst leben. Aufstände werden brutal niedergeschlagen.«
    Natürlich überreichte ich der Oberin die Medaille als Geschenk des Klosters in Spanien. Ich war erleichtert, sie dort abliefern zu können, wo sie hingehörte; die Sorge um ihre Sicherheit war eine große Verantwortung. Die Oberin war tief berührt, sie sagte, selbstverständlich wisse sie von der Medaille, doch sie habe nie damit gerechnet, dass sie jemals in den Besitz dieses Klosters gelangen würde. Ich erzählte ihr von Sor Beatriz und der Äbtissin und von der Inquisition. Sie nickte und meinte, die Inquisition sei auch hier eingerichtet worden, aber … Sie zuckte mit den Schultern. Wie vieles andere wird auch die Inquisition hier nicht so wirksam betrieben wie in Spanien.
    Ich berichtete von den regelmäßig eintreffenden Briefen des Heiligen Offiziums und wie sehr sich die Äbtissin darüber geärgert habe, und die Oberin erwiderte, auch sie hätten so ihre Probleme mit den kirchlichen Behörden. Allerdings erfüllten Klöster wie Las Golondrinas viele nützliche Aufgaben, sodass die Kirche nicht auf sie verzichten könne. So nähmen die Schule und das Waisenhaus die beschämend große Zahl an Mestizenmädchen auf, die von spanischen Soldaten und Siedlern gezeugt würden. Sowohl die Regierung als auch die Kirche kämpften beständig dagegen an, dass spanische Männer sich den Verlockungen der einheimischen Frauen hingäben, doch offenkundig ohne großen Erfolg. Daher sei Kirche und Zivilbehörden sehr daran gelegen, den Mädchen christliche Werte nahezubringen, in der Hoffnung, dass sie eines Tages als gute katholische Ehefrauen einen mäßigenden Einfluss haben würden.
    Ich hatte noch so viele Fragen an sie, doch eine Nonne kam und rief die Oberin zu einem Notfall oder etwas anderem. Die Oberin hat kaum Zeit, lange irgendwo zu sitzen – das Kloster ist ein aufregender Ort. Von der Chronik sagte ich ihr nichts, da sie erwähnt hatte, dass es in Las Golondrinas keine Schreiberin gab. Einstweilen behalte ich diese letzte Verbindung zu Spanien und zu Sor Beatriz. Ich weiß nicht, ob es klug wäre zu versuchen, einen Brief an das Kloster in Spanien zu schicken. Ich wage nicht daran zu denken, was dort geschehen sein mag.

KAPITEL 24
    Aus der Chronik der Sors Santas de Jes ú s, aus der Feder von Esperanza, im Missionskloster Las Golondrinas de Los Andes, Dezember 1552
    Im Kloster wird das Weihnachtsfest auf eine Weise gefeiert, die in Spanien gänzlich unbekannt ist. Die Blumen im Innenhof blühen und viele Frauen sind ins Kloster gekommen. Innerhalb der Klostermauern herrscht heilloses Durcheinander – da werden Süßigkeiten und andere Speisen angepriesen, Spielzeuge verkauft, Kinder laufen umher und Nonnen, die zu Besuch gekommen sind, drängen sich zusammen mit Witwen und Beatas und Anverwandten und Dienerinnen und Bettlerinnen im Innenhof. Außerdem gibt es eine große Anzahl von Frauen der Straße und

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