Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
herausgeputzte Mestizinnen, Geliebte und Konkubinen, die für das Fest plötzlich zu »Büßerinnen« werden, wie man sie hier nennt. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend herrscht im Innenhof qualvolles Gedränge! Die Leute schieben und rempeln, kleine Kinder heulen lauthals auf dem Rücken der Mutter oder sie laufen kreuz und quer herum. Manche Frauen verbringen alle Feiertage hier, andere kommen und gehen täglich. Jede Zelle ist belegt und die Dienerinnen und Sklavinnen schlafen, wo immer sie ein freies Plätzchen finden.
Mittendrin findet etwas statt, das saturanticuy heißt, der »Kauf der Heiligen«. Es ist eine Art Markt, auf dem kleine Figuren verkauft werden; sie stellen Heilige oder das Jesuskind dar, das die Leute hier el Ni ñ o Jes ús nennen. Alle müssen aufpassen, dass sie nicht auf die Tonfiguren treten, die auf landesüblichen Decken auf dem Boden aufgereiht feilgeboten werden – was bei dieser Enge schwierig genug ist!
Am Tor des Klosters werden kleine Leckereien und ein heißes Getränk an die Armen verteilt. Die Klosterküche, in der es ebenso chaotisch zugeht wie im Innenhof, versorgt Nonnen und Besucherinnen mit immer neuen Ladungen süßer Teigringe, die picarones heißen und für diese Gegend typisch sind. Für die wohlhabenden Damen und einige der reicheren Prostituierten, die sie sich leisten können, gibt es kleine würzige Fleischpasteten. Wein und heimischer Branntwein fließen in dieser Zeit in Strömen. Männer stolpern umher oder liegen betrunken und besinnungslos in den Straßen, was der Grund dafür sein mag, dass so viele Frauen hierherkommen, wo Männern der Zutritt verboten ist. Hinter den Klostermauern gibt es Frauen, die musizieren, und alle, selbst die feineren Damen, singen und tanzen dazu.
Der Abend vor dem Weihnachtsfest wird » Noche Buena « genannt. Um Mitternacht erklang wildes Glockengeläut und die Fiesta dauerte bis zum Morgengrauen. Wie es scheint, gehen diese ausgelassenen Feiern bis zur Ankunft der drei Könige im Januar weiter. Auch die Schoßhündchen und die Papageien schlafen nicht, ebensowenig wie alle anderen. Die Hunde laufen wie verrückt durch die Menge, bringen die Dienerinnen zum Stolpern und bellen ununterbrochen, während die Papageien krächzen, bis sie erschöpft sind und matt auf ihrer Stange sitzen.
P í a gelingt es, so unnahbar und gelassen wie immer zu sein, doch selbst sie hat viele Pasteten mit Genuss verspeist und sich die Finger geleckt. Sanchia verschwand mit einigen anderen Mädchen ihres Alters und ich sah sie flüchtig, als sie alle zusammen hinter den tanzenden Frauen herumwirbelten und -tänzelten. Ich kauere mich in die am wenigsten bevölkerte Ecke, die ich finden kann, und schreibe nieder, was ich beobachte, weil ich sonst nichts mit mir anzufangen weiß. Ich vermisse Marisol, die an all dem Treiben ihre helle Freude gehabt hätte, und sehne mich nach ein wenig Ruhe und Frieden!
KAPITEL 25
Aus der Chronik der Sors Santas de Jes ú s, aus der Feder von Esperanza, im Missionskloster Las Golondrinas de Los Andes, Mai 1553
Die Oberin hat an Salomé geschrieben, bisher jedoch keine Antwort erhalten. Ich muss mich gedulden. Hier ist es Sitte, dass eine Witwe ein Jahr lang oder manchmal länger keinen Besuch empfängt. Seit Ostern hat die Oberin Anfragen von möglichen Heiratskandidaten für uns bekommen, doch bei der Aussicht auf die Ehe mit einem dieser Männer sinkt mir das Herz. In der Zwischenzeit haben wir drei begonnen, zum Dank für unsere Zelle und unser Essen die Wäsche im Waisenhaus auszubessern, so sehr ich das Nähen auch hasse. Auf diese Weise können wir unsere Mitgift sparen. Die Trockenzeit hat begonnen und die Luft ist frischer. Wir haben einen schattigen Platz im geschäftigen Innenhof, an dem wir besonders gern sitzen und arbeiten. Sanchia murrt, weil wir bereits seit einem halben Jahr hier sind; sie möchte, dass P í a und ich uns beeilen und endlich einen Ehemann finden, sonst würde sie es tun, damit wir das Kloster verlassen können.
Ruhig wie immer weist P í a Sanchia darauf hin, dass sie erst zwölf Jahre alt und noch zu jung ist, um sich über solche Dinge Gedanken zu machen, doch Sanchia, die für ihr Alter recht groß geworden ist, wirft ihre schwarzen Locken zurück und erwidert, dass es hier Mädchen gibt, die mit zwölf verlobt oder gar verheiratet sind. P í as Freundin Zarita, die an den meisten Tagen bei uns sitzt, nickt.
Zarita selbst war eine solche Kindfrau und wartet nun im Kloster
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