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Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Titel: Das Zeichen der Schwalbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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grüne Frucht, die aguacate heißt. Sie ist sehr schmackhaft, wenn man sie schält und mit Salz und Chili würzt. Tom á s erzählte mir auch von seiner Familie. Er hat drei jüngere Schwestern, doch da seine Mutter bestimmt hat, dass die beiden jüngeren Mädchen ins Kloster gehen, muss er nur für die Älteste einen Ehemann finden, und sie musste warten, bis Tom á s verheiratet war. Er erzählte mir von den Bauern, die das Land seiner Familie bestellen, und wie seine Mutter mit eiserner Hand über sie herrscht, ebenso wie über die Familie und sogar den örtlichen Priester. Außerdem ist sie sehr, sehr fromm.
    Ich berichtete ihm ein wenig von mir, hauptsächlich die Dinge, von denen ich dachte, dass sie seine Mutter interessieren würden: dass mein Vater eine Schiffsflotte befehligt hatte, dass meine Mutter ein königliches Mündel war, dass beide tot sind. Von Consuela und meinen Brüdern und den boshaften Gerüchten über den Kronprinzen, die meine Familie zerstört haben, sagte ich nichts. Wir sind hier zwar weit weg von Spanien, aber dennoch gibt es spanische Verwaltungsbeamte – und wer weiß schon, was die Behörden tun, wenn sie solche Informationen bekommen? Mein Leben hatte eine interessante Wendung erfahren und ich wollte nicht, dass sie auf mich aufmerksam wurden.
    Schließlich, am achten Tag, zeigte Tom á s auf eine Ansammlung von Gebäuden am Horizont. ›Die Hazienda der Beltr á ns‹, seufzte er. Als wir sehr langsam darauf zuritten, schärfte er mir ein, seiner Mutter nichts von der Entführung zu erzählen. Ihre Ansichten über Etikette sind ebenso starr wie ihre Vorstellung von dem, was ihr alle Welt schuldig ist.
    Nachdem wir tagelang unterwegs gewesen waren, konnte ich nicht sonderlich frisch wirken, abgesehen davon, dass ich recht zerwühlt aussah, weil Tom á s immer wieder die Pferde anhielt und mich zu sich auf die Decken zog. An einem Bach ließ ich ihn haltmachen und versuchte, so gut es ging, den Staub abzuwaschen und mein Haar glattzustreichen, während Tom á s seine Kleidung zurechtzog und sich den Schmutz von der Jacke klopfte. Als wir uns anzogen, sah ich, dass er wieder meine Brüste musterte, und wollte gerade anmerken, dass dies wohl kaum der richtige Moment sei. Er sagte jedoch nur, ich solle mein Mieder bis oben zuknöpfen und mir mein Schultertuch eng um die Schultern legen. Seine Stimme klang leicht beunruhigt. Danach kamen wir immer langsamer voran. Tom á s nutzte den geringsten Anlass, um stehen zu bleiben und mich auf Bäume und Sträucher hinzuweisen, als seien sie das Interessanteste, das die Welt je gesehen hatte. Oder er zeigte mir, wo er als Junge hier eine Schlange und dort einen Puma gesehen habe. Er schwor, er habe die wilde Gestalt der Llorana gesehen, die ihre eigenen Kinder umbrachte und nun verdammt ist, durch die Welt zu wandern und sie zu suchen. Dabei schnappt sie sich menschliche Kinder, wann immer sie kann. Tom á s sagte, eines Tages habe sie versucht, ihn mitzunehmen, doch er sei um Haaresbreite davongekommen.
    Ich erwiderte, wenn es La Llorana gelungen wäre, hätte sie ein Kind, das so viel redete wie Tom á s, ganz gewiss wieder zurückgebracht. Schließlich sahen wir eine Ansammlung von Gebäuden mit blauen Schlagläden und in der Ferne setzte sich ein Junge in einem Feld in Bewegung und lief auf das Tor eines großen lang gestreckten Hauses zu.
    Als wir am Haus ankamen, erwartete uns auf der Veranda eine dicke, schwarz gekleidete Frau mit buschigen Augenbrauen, die aussah wie eine menschliche Gewitterwolke. Drei dunkelhaarige Mädchen, allesamt jünger als Tom á s, spähten hinter ihrem breiten Rücken hervor und beäugten uns interessiert. Die Frau streckte den Finger aus und zeigte auf mich. Wie ihr Sohn es wagen könne, vor seiner Mutter und seinen unschuldigen Schwestern seine Hure herzuzeigen. Als Tom á s mich als seine Frau vorstellte, sah sie einen Moment lang aus, als habe sie der Schlag getroffen. Dann hob sie die Hände zum Himmel und ließ einen lauten durchdringenden Heulton hören. Sie schlug sich mit dramatischer Geste an die Brust – die ziemlich ausladend war und den Anschein erweckte, als könne sie eine Menge Schläge vertragen, ohne den geringsten Schaden zu nehmen – und rief nacheinander die Jungfrau und jeden Heiligen einzeln an, Zeuge der Prüfungen einer geplagten Mutter zu sein. Währenddessen tätschelten ihre Töchter ihr ohne jeden Erfolg den Rücken und flüsterten: ›Nicht so laut, Mama!‹ Als sie sich

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