Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
schließlich beruhigte, betrachtete sie mich, als sei ich ein verfaulter Leckerbissen, den einer der Gossenhunde angeschleppt hatte, und setzte zu einer beleidigenden Schmährede an. Es sei ganz offensichtlich, dass ich ein Flittchen von zweifelhafter Geburt und ohne Mitgift sei, das weiß Gott welches Mischlingsblut mitbrachte. Als sei es nicht genug, dass er sich mit den Bäuerinnen einlasse und die halbe Hazienda mit seinen Bastarden bevölkere, nein, nun müsse er auch noch Prostituierte aus diesem Sündenpfuhl von Stadt mitbringen, um seiner Mutter das Herz zu brechen und sie auf ihre alten Tage umzubringen. Gott würde ihn bestrafen! Und diese sogenannte Heirat, zu der er sich habe überreden lassen, würde auf der Stelle gelöst werden.
Eine halbe Stunde lang tobte sie, ohne Tom á s auch nur ein einziges Mal zu Wort kommen zu lassen. Sie werde ihn enterben, schwor sie, wenn er sich nicht sofort von mir scheiden lasse. Ich sah sie einfach nur ungerührt an und dachte: ›Diese fette Kröte ist also meine Feindin? Wie viele schlimme Wörter sie doch kennt!‹
Tom á s’ Familie ist so wohlhabend, dass sie meine Mitgift nicht braucht. Als meine neue Schwiegermutter auf diesen Punkt zu sprechen kam, meldete sich Tom á s endlich zu Wort und meinte, er habe gedacht, dass er ihr eine Freude macht, wenn er mit einer echten spanischen Frau mit limpieza de sangre nach Hause komme. Das sei wichtiger als jede Mitgift, hätte sie immer beteuert. Er fügte hinzu, ich sei ein Muster an Frömmigkeit und sei in dem ältesten und heiligsten Kloster von ganz Spanien zur Schule gegangen. Und mit einer Gruppe von Nonnen nach Spanischamerika gereist, die zum Kloster Las Golondrinas unterwegs waren. Unsere Ehe sei mit der Zustimmung der Kirche geschlossen worden und wenn sie sie nicht akzeptiere, werde es einen Skandal geben. Und da er ja nun verheiratet sei, könne es gut sein, dass ein legitimer Erbe der Beltr á ns im nächsten Jahr das Licht der Welt erblicken werde. Dieser Einwand besänftigte Tom á s’ Mutter nur teilweise. Sie grollte schlechtgelaunt weiter wie ein großer Vulkan kurz vor dem Ausbruch.
Mir war klar, dass ich in diesem umkämpften Haus auf der Stelle den Platz beanspruchten musste, der mir von Rechts wegen zustand, sonst würde dieser Drachen auf der Veranda mir das Leben zur Hölle machen. Schließlich war Tom á s nun der Herr über das Anwesen und als seine frisch angetraute Frau, Mutter seiner zukünftigen Kinder und Herrin über die Hazienda, musste ich beweisen, dass ich hier das Sagen hatte und mich nicht würde umherschubsen lassen. Ich hob den Kopf, so hoch es ging, und sah ihr mit hochmütigem Blick direkt in die Augen – was ihre Töchter und sogar Tom á s tunlichst vermieden, wie mir aufgefallen war. Dann blickte ich mich um und rümpfte verächtlich die Nase, so als verströme die Hazienda einen unangenehmen Geruch. ›Das Anwesen ist kleiner, als ich dachte. Viel kleiner. Und die Familie hat längst nicht so gute Manieren, wie man mich glauben ließ. Ich bin enttäuscht.‹ Ich hielt ihren Blick fest, während ich Tom á s majestätisch die Hand hinhielt, damit er mir beim Absteigen half. Mit kerzengeradem Rücken schritt ich die Verandatreppe empor und starrte sie kalt an, während ich einen so knapp angedeuteten Knicks machte, dass seine Taktlosigkeit ihr kaum entgehen konnte. ›Do ñ a Mar í a Isabela Beltr á n de Vilar de Asunci ó n , zu Euren Diensten.‹ Dann ging ich schweigend an ihr vorbei ins Haus und hielt den Kopf dabei so hoch, als sei ich tatsächlich die königliche Prinzessin, für die mich manche Leute halten. Bei dieser unverschämten kleinen Vorstellung stockte den drei Mädchen der Atem und meine Schwiegermutter war sprachlos. Ich glaube, sie hatte damit gerechnet, dass ich weine und die Hände ringe und um Vergebung bitte. Seitdem fechten Se ñ ora Beltr á n und ich einen ständigen Machtkampf aus, den ich normalerweise gewinne. Tom á s betrachtet uns beide gleichermaßen ehrfürchtig.«
»Und, Marisol«, rief Sanchia, »wir nennen dich weiterhin Marisol, wenn wir unter uns sind, nicht Do ñ a Mar í a Isabela. Du erwartest ein Baby!«
»Ja, selbst Tom á s’ Mutter freut sich, dass er bald einen legitimen Erben haben wird.« Ein Schatten flog über Marisols Gesicht. Ihre Miene veränderte sich flüchtig und ich sah, dass ihr etwas Schmerzen bereitet und dass sie dagegen ankämpft. Ihr großer, mit Smaragden und Diamanten besetzter Ring funkelte und wir
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