Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
Menina murmelte ihren Namen und schob die Karte in ihre Hosentasche, während sie fieberhaft überlegte, wie sie erklären sollte, was sie hier machte. Im Moment fiel ihr keine gute Möglichkeit ein.
Professor Lennox fuhr fort: »Wegen des schlechten Wetters sind wir nach Malaga umgeleitet worden. Sie haben … ähm, geschlafen, als wir in die Turbulenzen geraten sind, daher habe ich Ihren Sicherheitsgurt fester gezogen und dabei ist mir Ihre Medaille aufgefallen. Ist sie alt?«
»Ich weiß eigentlich nicht viel darüber, tut mir leid.« Das Sprechen fiel ihr schwer und Menina war nicht danach zumute zu erklären, was es mit der Medaille und mit ihrer Abschlussarbeit auf sich hatte. Sie wandte sich ab und blickte aus dem Fenster. Nach dem Sturm war die Luft klar und hell, unter ihnen waren dunkelblaue Berge mit Schneekappen zu sehen. Als das Flugzeug zum Landeanflug ansetzte, konnte Menina in der Ferne die Küste sehen und darüber hinaus das blaugraue Mittelmeer. Ihre Hand schloss sich nervös um ihre Medaille, während das Flugzeug tiefer und tiefer sank, bis die Räder schließlich mit einem Ruck auf der Landebahn aufsetzten, der in ihrem Kopf schmerzhaft widerhallte.
»Willkommen in Spanien«, sagte Professor Lennox trocken.
KAPITEL 4
Spanien, Karwoche, April 2000
Am Flughafen von Malaga war die Hölle los. Menina verlor Professor Lennox aus den Augen, den einzigen Menschen aus ihrer Reisegruppe, den sie wiedererkennen würde. Als sie versuchte herauszufinden, wann ihr Flug nach Madrid starten würde, zuckte die junge Frau am Informationsschalter hilflos mit den Schultern und sagte gehetzt: »Niemand weiß, wann Ihr Charterflug geht. Ist Semana Santa ! Ich weiß nicht. Vielleicht heute nicht. Sie müssen da drüben warten.« Sie zeigte vage in Richtung Abflughalle, die aus einer einzigen wogenden Menschenmasse zu bestehen schien. Menina hatte das Gefühl, dass sie sich entweder hinlegen und an ihrem Kater sterben oder sich irgendwie nach Madrid durchschlagen müsste, um dort in der Jugendherberge zu ihrer Reisegruppe zu stoßen.
»Gibt es eine andere Möglichkeit, nach Madrid zu kommen – mit dem Zug oder einem Bus?«
»Züge unmöglich diese Woche, wenn Sie keine Reservierung haben, ist Semana Santa , aber Sie können einen Bus vom Flughafen nehmen. Da, an den Telefonen vorbei. Länger als Zug, aber schöner Ausblick. Heute Abend sind Sie in Madrid.«
Als Nächstes versuchte Menina, von einem Münztelefon aus ihre Eltern anzurufen. Das gelispelte Spanisch des Telefonvermittlers klang ganz anders als der lateinamerikanische Akzent, den sie gewöhnt war, und als sie ihn nicht verstand, legte er schließlich auf. Eine ältere Frau blieb stehen und zeigte ihr, was sie tun musste, und dann endlich hörte sie den Freiton und die verschlafene Stimme ihres Vaters am Apparat: »Menina? Alles in Ordnung?«
Nein, eigentlich nicht. »Mir geht ’ s gut. Tut mir leid, ich habe die Zeitverschiebung vergessen. Bei euch muss es halb fünf in der Frühe sein …«
Am anderen Ende der Leitung gähnte Virgil. »Nein, ist schon okay, Schätzchen. Schön, dass du gut in Madrid gelandet bist. Genieße es. Geh einkaufen, mit dieser neuen Visa-Karte. Kauf deiner Mutter eine Handtasche, ich habe gehört, dort in Spanien haben sie schönes Leder. Um alles andere brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Und wenn du wiederkommst, hat sich der ganze Schlamassel in Luft aufgelöst.«
»Na, das sehen wir dann … Aber ich bin noch nicht in Madrid, Dad. Das Wetter war schlecht und wir sind nach Malaga umgeleitet worden. Hier am Flughafen geht alles durcheinander und niemand weiß, wann wir nach Madrid weiterfliegen können. Und weil ich nicht unbedingt in der Abflughalle auf dem Boden schlafen möchte, nehme ich den Bus nach Madrid. Heute Abend bin ich dort.«
»Sei vorsichtig. Und lass dich nicht von fremden Männern ansprechen.«
»Fremde Männer!« Menina musste lachen. »Ich bin doch kein Kind mehr.«
»Übrigens, wo wir gerade von fremden Männern sprechen: Als wir gestern Abend vom Flughafen zurückkamen, haben ein Mann und eine Frau bei uns geklingelt, nette Leute. Sie haben nach dir gefragt. Sie hatten diesen Artikel in der Zeitung gesehen – nun, du weißt schon, welchen ich meine, er war gestern drin. Jedenfalls hatten sie irgendwas mit der katholischen Kirche zu tun und mit der Adoption von euch Hurrikan-Kindern. Deine Mutter hat ihnen Kuchen und Kaffee serviert und wir haben ihnen deine Akte gezeigt und ein bisschen
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