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Das Zeichen der Vier

Das Zeichen der Vier

Titel: Das Zeichen der Vier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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an einer Ecke des Dachgesimses hockend.
    »Sind Sie das, Watson?« rief er herunter.
    »Ja.«
    »Ich habe die Stelle. Was ist das Schwarze da unter mir?«
    »Eine Wassertonne.«
    »Mit Deckel?«
    »Ja.«
    »Weit und breit keine Leiter zu sehen?«
    »Nein.«
    »Zum Teufel mit dem Burschen! Das ist wirklich halsbrecherisch. Aber wo er heraufklettern konnte, müßte ich doch wohl hinunterkommen. Das Regenrohr macht einen recht stabilen Eindruck. Was soll’s, ab geht die Post!«
    Man hörte seine Füße an etwas entlangscheuern, und die Laterne begann, langsam und stetig an der Hauswand herabzugleiten. Endlich landete er mit einem federnden Sprung auf der Wassertonne und mit einem weiteren auf dem Boden.
    »Es war einfach, seiner Spur zu folgen«, sagte er, während er Strümpfe und Stiefel wieder anzog. »Überall, wo er durchgekommen ist, gab es gelockerte Ziegel, und in der Eile hat er dies verloren. Es bestätigt meine Diagnose, wie ihr Ärzte euch auszudrücken beliebt.«
    Der Gegenstand, den er mir entgegenhielt, war eine kleine Tasche oder eher ein Beutel, gewoben aus bunten Gräsern und mit ein paar billigen Glasperlen verziert, in Form und Größe einem Zigarettenetui nicht unähnlich. Er enthielt ein halbes Dutzend Stacheln aus dunklem Holz, die alle an einem Ende spitz und am anderen abgerundet waren, genau wie jener, der Bartholomew Sholto getroffen hatte.
    »Das sind höllische Dinger«, sagte er. »Passen Sie auf, daß Sie sich nicht daran stechen. Ich bin froh, daß wir sie jetzt haben, denn mit etwas Glück ist dies seine ganze Munition. Dadurch verringert sich die Gefahr, daß Sie oder ich binnen kurzem so ein Ding in der Haut stecken haben. Da wäre mir eine Martini-Kugel 25 dann doch lieber. Wie steht es, Watson, wären Sie für einen Sechs-Meilen-Marsch zu haben?«
    »Selbstverständlich«, antwortete ich.
    »Ist Ihr Bein dem auch gewachsen?«
    »Aber ja doch.«
    »Da, Hundchen! Guter alter Toby! Riech daran, Toby, riech!« Er drückte dem Hund das kreosotgetränkte Taschentuch unter die Nase, und dieser spreizte seine unförmigen Beine und gab seinem Kopf eine höchst komische Neigung, wie ein Connaisseur, der das Bouquet eines edlen Weines prüft. Darauf warf Holmes das Taschentuch ein Stück weit weg, befestigte ein kräftiges Seil am Halsband des Hundes und führte ihn zu der Wassertonne. Das Tier stieß augenblicklich ein hohes, gellendes Kläffen aus und machte sich, die Nase dicht am Boden, den Schwanz steil in die Luft gereckt, an die Verfolgung der Fährte, wobei er mit einer solchen Geschwindigkeit lostrappelte, daß die Leine straff gespannt war und wir alle Mühe hatten, ihm zu folgen.
    Im Osten war es nach und nach heller geworden, so daß wir nun in dem kalten grauen Licht auf einige Entfernung sehen konnten. Hinter uns ragte das schwerfällige, quadratische Haus mit seinen schwarzen leeren Fenstern und den hohen, nackten Mauern trostlos und verlassen in den Himmel empor. Unser Weg führte uns quer über das Grundstück, zwischen den Gräben und Löchern hindurch, die es allenthalben durchschnitten und zergliederten. Der ganze Ort mit seinen verzettelten Schutthaufen und verwilderten Büschen wirkte fluchbeladen und unheilschwanger, ganz im Einklang mit der düsteren Tragödie, deren Schauplatz er war.
    Bei der Umfriedungsmauer angekommen, rannte Toby aufgeregt winselnd in ihrem Schatten entlang, bis er endlich in einer Ecke, die von einer jungen Buche verdeckt wurde, anhielt. Dort, wo die zwei Mauern aufeinandertrafen, waren mehrere Backsteine gelockert worden, und die dadurch entstandenen Spalten waren auf der unteren Seite ausgetreten und abgewetzt, als ob sie schon oft als Stufen gedient hätten. Holmes klomm hinauf, nahm mir den Hund ab und ließ ihn auf der anderen Seite der Mauer hinunter.
    »Hier ist eine Spur von Freund Holzbeins Hand«, sagte er, als ich neben ihm hinaufkletterte. »Sehen Sie den schwachen Blutfleck da auf dem weißen Verputz? Welch ein Glück, daß wir seit gestern keine starken Regenfälle zu verzeichnen hatten. Der Geruch wird noch auf der Straße liegen, ihrem Vorsprung von achtundzwanzig Stunden zum Trotz.«
    Ich muß gestehen, daß ich da meine Zweifel hatte, wenn ich an den starken Verkehr dachte, der in der Zwischenzeit die Straße nach London passiert haben mußte. Meine Befürchtungen erwiesen sich indessen bald als unbegründet. Toby watschelte unbeirrt vorwärts in seiner eigenartig schlingernden Manier, ohne auch nur einen Moment zu zögern oder

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