Das Zeichen der Vier
in seinen Papieren, ob er nicht irgendwo festgehalten hatte, wo unsere Juwelen versteckt waren. Doch da war keine Zeile, und so zog ich mich zurück, so bitter und haßerfüllt, wie ein Mann nur sein kann. Ehe ich das Zimmer verließ, kam mir der Gedanke, daß es uns, wenn ich meine Sikh-Freunde je wieder sehen sollte, eine Genugtuung wäre zu wissen, daß ich ein Mahnmal unseres Hasses hinterlassen hatte. Ich kritzelte also das Zeichen der Vier, so wie es auf dem Plan gestanden hatte, auf ein Blatt Papier und heftete es ihm an die Brust. Es wäre zuviel der Ungerechtigkeit gewesen, wenn man ihn zu Grabe getragen hätte ohne einen letzten Gruß von den Männern, die er beraubt und hintergangen hatte.
In jener Zeit verdienten wir unseren Lebensunterhalt damit, daß ich den guten Tonga auf Jahrmärkten und bei ähnlichen Gelegenheiten als den ›Schwarzen Menschenfresser‹ zur Schau stellte. Er mußte dann rohes Fleisch verschlingen und seinen Kriegstanz auffuhren; so brachten wir es alleweil auf einen Hut voll Pennies pro Tag. Ich erfuhr noch immer alle Neuigkeiten von
Pondicherry Lodge,
und ein paar Jahre lang gab es eigentlich nichts zu erfahren, außer daß sie hinter dem Schatz her waren. Endlich kam jedoch das, worauf wir so lange gewartet hatten: Der Schatz war gefunden worden. Er stand zuoberst im Haus, in Mr. Bartholomew Sholtos Chemie-Laboratorium. Ich machte mich sogleich auf, um mir das Haus anzusehen, sah aber keine Möglichkeit, mit meinem Holzbein dort hinaufzugelangen. Als ich jedoch von der Dachluke erfuhr und davon, wann Mr. Sholto jeweils zu Abend aß, da dünkte es mich, daß die Sache mit Tongas Hilfe leicht zu bewältigen sein müßte. Ich brachte ihn also mit hinaus und schlang ihm ein langes Seil um den Leib. Er konnte klettern wie eine Katze, und es dauerte nicht lange, so war er über das Dach ins Haus gelangt. Das Pech wollte es jedoch, daß Bartholomew Sholto noch im Zimmer war, was ihn teuer zu stehen kam. Tonga bildete sich ein, etwas besonders Schlaues getan zu haben, indem er ihn getötet hatte, denn als ich am Seil zu ihm heraufgeklettert kam, stolzierte er wie ein Pfau im Zimmer auf und ab. Er verstand die Welt nicht mehr, als ich mit dem Seilende auf ihn losging und ihn als blutrünstigen kleinen Teufel beschimpfte. Ich nahm dann die Schatztruhe und ließ sie an dem Seil hinunter, und nachdem ich auf dem Tisch das Zeichen der Vier hinterlassen hatte, um deutlich zu machen, daß die Juwelen endlich in den Besitz derer gelangt waren, die am meisten Recht darauf hatten, ließ ich mich selbst hinuntergleiten. Darauf zog Tonga das Seil wieder hinauf, schloß das Fenster und machte sich davon, so, wie er gekommen war.
Ich wüßte wirklich nicht, was ich Ihnen sonst noch groß erzählen soll. Ich hatte zufällig gehört, wie ein Fährmann über die Schnelligkeit von Smiths Dampfkahn, der
Aurora,
sprach, und da dachte ich mir, daß sie sich eignen könnte für unsere Flucht. Ich wurde handelseinig mit dem alten Smith, und er hätte eine schöne Stange Geld von mir gekriegt, wenn er uns sicher zu unserem Schiff gebracht hätte. Er hat bestimmt gerochen, daß da etwas faul war, aber er war nicht eingeweiht in unser Geheimnis. All dies ist nichts als die Wahrheit, und wenn ich Ihnen diese ganze Geschichte erzählt habe, Gentlemen, so nicht etwa zu Ihrer Unterhaltung – Sie haben mir ja nicht gerade einen Freundschaftsdienst erwiesen –, sondern weil ich der festen Überzeugung bin, daß die beste Art, mich zu verteidigen, ganz einfach die ist, mit nichts zurückzuhalten und aller Welt kundzutun, wie übel Major Sholto mir mitgespielt hat und wie unschuldig ich am Tode seines Sohnes bin.«
»Eine höchst bemerkenswerte Erzählung«, sagte Sherlock Holmes; »ein würdiger Abschluß für einen außergewöhnlich interessanten Fall. Im letzten Teil Ihres Berichtes gab es allerdings gar nichts, was mir neu gewesen wäre, außer daß Sie das Seil selbst mitgebracht hatten. Das habe ich nicht gewußt. Da fallt mir ein, ich hatte gehofft, Tonga habe all seine Pfeile verloren, aber auf dem Boot ist es ihm dann doch gelungen, einen auf uns abzuschießen.«
»Er hatte tatsächlich alle verloren, Sir, bis auf den einen, der noch in seinem Blasrohr steckte.«
»Ach so, natürlich«, sagte Holmes, »daran hatte ich nicht gedacht.«
»Gibt es sonst noch einen Punkt, über den Sie Aufschluß von mir wünschen?« fragte der Sträfling dienstbeflissen.
»Danke, ich glaube nicht«, erwiderte mein
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