Das Zeichen Des Dunklen Gottes
Gedanken arbeiteten. Nacht für Nacht sah er die Leute von Bord gehen. Wann sie zurückkehrten, darauf hatte er nicht geachtet. Sie mussten sich inzwischen in Tularky verteilt und unauffällig unters Volk gemischt haben. Am Ende waren es Piraten, die die Stadt einnehmen wollten. Aber warum ließen sie sich so lange Zeit dafür? Grübelnd stieg er wieder hinauf. Nur ein Mensch konnte ihm die richtige Antwort geben, und den wollte er schnell besuchen. Auf allen vieren pirschte er die Treppe hinauf.
Zu seinem Entsetzen hatte sich die Zahl der Wachen verdoppelt. Eine stand sogar auf dem Oberdeck, die andere am Bug. Die letzten beiden Männer drehten versetzt ihre Runden auf dem Hauptdeck. Hier würde es kein Durchkommen für den Freibeuter geben.
Torben öffnete die erste Tür im Gang und stand inmitten von Kisten. Teile von Holzgestellen verrieten ihm, dass er zerlegte Katapulte gefunden hatte. Eine schnelle Untersuchung offenbarte jedoch keinen Weg hinaus. Die Tür auf der gegenüberliegende Seite führte zu einem gleichartig gebauten Raum. Diesmal entdeckte er eine mit einem eisernen Riegel gesicherte Luke. Vor der lag ein stabiles Tau, das an einem Eisenring im Boden festgebunden war.
Torben grinste und schob die Sperre zur Seite. Kühle Nachtluft strömte in die Kammer. Er schätzte, eine »Rattenluke« gefunden zu haben. In wärmeren Gewässern nutzten Piraten solche Klappen, um ein paar Mann während eines Gefechts auf der abgewandten Seite des Feindes ins Wasser zu lassen. Sie tauchten unter dem Kiel durch, erklommen das Schiff und griffen die Gegner überraschend an. Eine Methode, die in Rogogard wenig Sinn machte. Innerhalb weniger Lidschläge wäre ein Mann in der eisigen See erfroren.
Rasch war das Seil an der Bordwand hinabgelassen, und der Rogogarder hangelte sich geräuschlos nach unten. Würde die offene Klappe gefunden, wäre es offensichtlich, dass ein Spion den Weg ins Innere des Schiffes geschafft hätte. Aber solange ihm rechtzeitig die Flucht gelang, sollte es ihm gleichgültig sein.
Zum zweiten Mal in dieser Nacht erklomm er das Heck, um durch das Fenster in die Kabine der Frau einzusteigen. Die Kälte ließ seine Finger allmählich steif werden, aber noch kontrollierte er seinen Körper recht gut.
Der Lichtschein aus der Unterkunft erlosch in dem Augenblick, als er sich auf das schmale Sims schwang. Undeutlich erkannte er durch das Glas, wie die Kapitänin zu ihrem Bett ging und sich zudeckte.
Er wartete mehrere Minuten und winkte zwischendurch zur Grazie, wo sein Maat im Krähennest saß und die Szenerie wahrscheinlich mit einem breiten Grinsen im Gesicht und einem Priem in der Backentasche beobachtete. Dann drückte er prüfend gegen die Scheibe. Das Fenster war nicht verschlossen.
Mit ein wenig Spucke, die er auf die Scharniere gab, verhinderte er ein verräterisches Quietschen und öffnete seinen Zugang millimeterweise. Aus der Schlafstätte klangen regelmäßige Atemzüge.
Endlich war der Spalt groß genug, dass er sich hineingleiten lassen konnte. Am Kartentisch verharrte Torben einen Moment und warf einen Blick darauf. Im schummrigen, kaum vorhandenen Licht erkannte er keine Details. Dennoch erschien ihm die Karte genauer als die, die er benutzte. In etwa zehn Meilen Entfernung in westlicher Richtung, wenn er den Maßstab richtig deutete, waren drei Stecknadeln mit schwarzen Köpfen platziert worden.
Waren das Schiffe? Er prägte sich die Position der Marker gut ein, dann schlich er auf Zehenspitzen zum Bett, zog seinen Dolch und legte der Schlafenden eine Hand auf den Mund.
Augenblicklich erwachte die Frau, die Klinge an ihrer Kehle deutete sie als Aufforderung, ruhig zu bleiben. Sie bewegte sich nicht. Dem Freibeuter fiel der sanfte Geruch von Parfüm auf, der von ihr ausging.
»Ihr werde nun meine Hand wegnehmen«, flüsterte er mit verstellter Stimme. »Schreist du, fährt das Eisen durch den Hals bis ins Hirn. Keinen Laut und keine schnellen Bewegungen.« Sie nickte langsam. »Gut.« Torben nahm die Finger weg. »Was habt ihr geladen?«
»Nichts«, kam die Antwort aus dem Dunkel. Ihr Gesicht erkannte er nur als hellen Fleck. »Wir sind hier, um Handel zu treiben.«
»Das ist gelogen«, widersprach der Rogogarder sanft. »Es sind in einer Woche rund dreihundert Männer von diesem Schiff gegangen. Wohin sind sie?«
»Das waren Arbeitskräfte, die hierher zur Fischsaison kamen«, log sie weiter.
»Aber warum sind sie dann nicht am hellichten Tag von Bord?«, hielt der
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