Das Zeichen Des Dunklen Gottes
Beweis stellen musste, von dessen Angriffsabsicht er inzwischen fest überzeugt war. Nicht ohne Grund hatte er die Hauptstreitmacht der Tzulandrier in den Süden der Großbaronie verlegen lassen, nur wenige Marschtage von Telmaran entfernt. Mit Ausnahme des Nachbarreiches Tûris bekannte sich niemand zu Tarpol. Und wenn die übrigen Ulldarter eine Invasion wagten, sollten sie sich eine blutige Nase holen.
Mithilfe der neuen Waffen, die sein Konsultant ihm im Rohzustand zeigte, würde es ein Leichtes sein, eventuelle Angreifer in die Flucht zu schlagen. Zwar hatte der Kabcar noch keine der seltsamen Metallrohre im Einsatz gesehen, Mortva versprach jedoch eine immense Wirkung.
Er ließ zahlreiche Männer als »Geschützmeister« ausbilden, qualifizierte Handwerker, die mit den neuen Fernwaffen hantieren konnten.
Das Ganze geschah in aller Heimlichkeit, damit keiner der ilfaritischen Spione Wind von den Neuerungen bekam. Dass ausgerechnet Stoiko, der allein in einer geräumigen Zelle im Kerker des Palastes saß, für den Feind kundschaftete, sah der junge Mann als endgültigen Beweis dafür, dass alle seine früheren Freunde ihn verraten hatten.
Der Kabcar goss sich von dem dampfenden Getränk nach und blickte nach draußen. Vor dem Fenster des Teezimmers trieben dunkle Regenwolken vorüber, ein kalter Wind jagte sie nach Osten. Tropfen sammelten sich an der Scheibe, und in Lodriks Vorstellung nahm das wirre Muster das Antlitz von Norina an.
Wut und Traurigkeit mischten sich in seinem Inneren und kämpfen gegen den letzten Rest von Liebe, der geblieben war. Auch wenn er das Zusammensein mit seiner Cousine genoss, etwas fehlte. Und dieses Etwas fand er auch nicht bei den anderen Frauen, mit denen er in einigen Nächten zusammen gewesen war. Weil die Brojakin sich ihm und damit das entzogen hatte, was er nun vermisste, hasste er sie noch mehr.
Tief atmete er ein und aus, dann öffnete er das Fenster zum Balkon, um die feuchte, kühle Luft hereinzulassen. Die Vorhänge blähten sich unter der Wucht des Windes, die Kerzen im Raum erloschen, und nur das Kaminfeuer sorgte für Licht. Lodrik ignorierte die beiden Wachen in den dicken Mänteln auf dem Balkon, stellte sich hinaus in den Regen und ließ das Nass mit geschlossenen Augen auf sein Gesicht prasseln. Das Wasser kühlte seinen Zorn, so schien es ihm. Nach ein paar Minuten kehrte er in das Zimmer zurück und setzte sich durchnässt vor die Flammen. Tropfen rannen aus den langen blonden Haaren und aus seinem kurz getrimmten blonden Bart.
Gedankenverloren griff er nach der Metallschatulle auf dem Sims, in der er die Asche seines Vaters aufbewahrt hielt. Ob der alte Kabcar das alles so kommen gesehen hatte? fragte er in Gedanken, als ob der Geist Grengor Bardri¢s Antwort geben könnte. Bin ich nicht ein echter Eroberer geworden, Vater? Habe ich deine Vorstellungen nun erfüllt?
Teilnahmslos stellte er das Behältnis zurück, kippte den Tee weg und schenkte sich stattdessen Kartoffelschnaps ein. Vor seinem inneren Auge sah er das Geeinte Heer, er hörte die Stimmen der Botschafter und die Forderungen nach Garantien.
Es klopfte. Allein an dem Ton erkannte der junge Mann, wer Einlass begehrte. »Kommt herein, Mortva.«
Leise trat sein Vetter in den Raum, die silbernen Haare glänzten rötlich im Feuerschein des Kamins. »Hoher Herr, ich habe eine Neuigkeit für Euch.«
Lodrik hob die Hand. »Wenn sie schlecht ist, behaltet sie für Euch. Wenn sie gut ist, dann glaube ich ihr nicht. Das Schicksal hat sich gegen mich verschworen, das ist so sicher wie die Nacht nach dem Tag.«
»In so düsterer Stimmung?«, fragte der Konsultant. »Dabei sind Eure Männer überall auf dem Siegeszug. Die Schutzgürtel wurden soweit wie möglich errichtet und gesichert, das Hauptkontingent der Tzulandrier marschiert nach Süden, Tarpol liegt Euch zu Füßen. Um das Geeinte Heer müsst Ihr Euch keine Sorgen machen.«
»Das hebt meine Laune in der Tat«, meinte der Kabcar und kippte den Alkohol die Kehle hinab. »Und mit was gedenkt Ihr meine Laune wieder zu dämpfen?«
Der Mann mit den silbernen Haaren nahm in einem Sessel Platz. Lodrik wandte sich um, um den Uniformrücken zu trocknen.
Die flackernden Flammen veränderten das Gesicht seines Vetters und ließen es unwirklich erscheinen, als ob sich hinter der Maske des ansprechenden Äußeren ein zweites Ich verstecken würde, das hindurchschimmerte und undeutlich sichtbar wurde. Die unterschiedlich farbigen Augen verstärkten
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