Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Zeichen des fremden Ritters

Das Zeichen des fremden Ritters

Titel: Das Zeichen des fremden Ritters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
Augen kaum. Sonst war es im Kloster immer ruhig. Alle Mönche und die Kinder, die im Kloster erzogen wurden, gingen geschäftig ihrer Arbeit nach, sprachen kaum ein Wort dabei und beteten regelmäßig in der Klosterkirche. Das wussten die drei Freunde nur zu genau. Agnes’ Cousin Paul war auch hier und wurde zu einem Benediktinermönch ausgebildet. Als er im Herbst ins Kloster gekommen war, hatte er sich nur mit Mühe daran gewöhnt, dass er nicht rennen oder reden oder lachen durfte, wann er wollte.
    Davon war heute nichts zu merken. Bereits an der Pforte hörten sie lautes Gelächter. Ein Junge in einer Kutte rannte herbei, blieb vor Bernhard stehen und rief: »Jetzt bin ich der Pförtner!«
    Verdutzt blickten die Kinder den Mönch an. Er trat bereitwillig von der Pforte zurück und sagte: »Nur zu!«
    |71| Amüsiert beobachtete er, wie der Knirps die Pforte weit öffnete und dann einfach wieder dahin lief, wo das Gelächter herkam.
    »Da kann man nichts machen!«, lachte Bernhard, als er die erstaunten Gesichter von Hannes und seinen Freunden sah. »Heute ist das Fest der Unschuldigen Kinder«, erklärte er. »Ihr wisst schon, die Kinder, die König Herodes töten ließ, weil man ihm gesagt hatte, unter ihnen wäre der neue König der Juden. Jesus entkam dem Mordanschlag nur, weil Josef die Untat in einem Traum geweissagt worden war und er rechtzeitig mit Maria und dem Kind nach Ägypten fliehen konnte. Also geht es bei uns heute drunter und drüber.«
    »Aber wieso das denn?«, fragte Agnes verwirrt. Sie fing schon an, sich Sorgen um ihren Cousin zu machen. Bernhard beruhigte sie.
    »Dem passiert nichts! Hier im Kloster ist heute der Tag der Kinder. Gestern Abend bei der Vesper ist zum ersten Mal seit einigen Jahren wieder ein Kinderabt gewählt worden. Das Kinderfest war eine Zeit lang verboten, weil zu viel Unfug passiert ist. Aber dieses Jahr hat der Bischof es wieder gestattet. Für einen Tag hat jetzt also der Kinderabt die Macht im Kloster und wir Mönche müssen tun, was er will. Er trägt die Festgewänder des Abtes und hat alle Klosterämter mit Kindern besetzt. Heute Morgen hat er über uns Erwachsene Gericht gehalten und uns gelobt oder getadelt. Besonders Bruder Hubertus, den Novizenmeister, hat es erwischt. Er muss nun zur Strafe für seinen Lateinunterricht heute Abend |72| beim Festessen bedienen.« Bernhard versuchte, ein Schmunzeln zu unterdrücken, aber es gelang ihm nicht so richtig. »Und kein Kind muss heute seine Arbeiten im Kloster erledigen, sondern alle sind stattdessen mit süßen Kuchen beschenkt worden. Gleich gibt es einen Umzug durch die Stadt und danach noch das Festessen. Und dann sind wir wieder normal«, fügte er augenzwinkernd hinzu.
    »Ach so«, seufzte Agnes erleichtert.
    »Wo ist denn mein Großvater?«, wollte Hannes wissen. »Macht er da irgendwie mit?«
    »Oh nein!« Bruder Bernhard schüttelte den Kopf. »Er hat gelacht und gesagt, er würde lieber ins Haus im Kräutergarten gehen und etwas Ruhe vor dem Spektakel haben. Er wartet da bestimmt schon auf euch.«
    Die Kinder bedankten sich bei Bernhard und gingen vorsichtig weiter. Wer konnte schon wissen, was die Klosterkinder vorhatten?
    Hannes lauschte. »Das Lachen kommt von da drüben, von der linken Seite der Kirche«, stellte er fest. »Wir können hier auf der Seite vorbeilaufen. Das ist ja auch der kürzere Weg.«
    Sie rannten so schnell wie möglich durch den Schnee und kamen rutschend und schlitternd beim Haus im Kräutergarten an. Die Tür war von innen verriegelt und Hannes klopfte an.
    »Wir sind es, Großvater!«, rief er.
    Fast sofort wurde der Riegel weggeschoben und Großvater Bertram öffnete die Tür.
    |73| »Habt ihr es tatsächlich bis hierher geschafft?«, fragte er lachend und nahm Hannes den Korb mit Essen ab. »Man weiß nie, welchen Streich die Kinder als nächsten aushecken. Kommt rein.«
    Kaum waren sie in dem kleinen Holzhaus, schob Bertram den Riegel vor und setzte sich wieder auf die Bank an den Arbeitstisch. Der Raum duftete nach Kräutern und Sommer und war gemütlich warm. An der Feuerstelle stand Bruder Anselm, der Apotheker, und rührte in einem seiner vielen Tiegel, in denen er Salben und andere Arzneien zubereitete. Er nickte den Kindern zu und sie setzten sich zu Bertram an den Tisch. Der war dabei, mit einem Mörser feines Pulver aus einem Berg getrockneter Kräuter herzustellen.
    »Wenigstens
ihr
seid wie immer«, brummte Anselm. »Die Klosterkinder sind außer Rand und Band. Ich

Weitere Kostenlose Bücher