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Das Zeichen des fremden Ritters

Das Zeichen des fremden Ritters

Titel: Das Zeichen des fremden Ritters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wickelte sie zum Aufwärmen in seinen Umhang.
    »Graf Guy hat noch nie so viel Schnee gesehen«, antwortete er. »Da hatte Graf Wilhelm diese Idee und seitdem springen sie hier im Burghof herum wie die Kinder. Mal was anderes als ein Turnier«, fügte er grinsend hinzu.
    |80| Das war es wirklich. Sogar die Damen machten mit! Konrads Tante Amalia hatte den Rock ihres kostbaren Mantels so gerafft, dass sie gleich mehrere Schneebälle darin tragen konnte. Sie bewarf ihren Bruder, während Graf Guy rasch neue Schneebälle für sie formte.
    »Weiter, Amélie!«, feuerte er seine Frau an und lachte Tränen über Graf Wilhelm, der inzwischen fast wie ein Schneemann aussah. »Wir gewinnen!«
    Plötzlich riss die Musik ab. Die ganze Gesellschaft blieb wie erstarrt stehen. Alle blickten mit ihren Schneebällen in den Händen gebannt in eine Richtung. Rasch drehten sich auch Gottfried und die Kinder um.
    Der Fremde wankte in den Burghof! Er war bleich und zitterte vor Schwäche und Kälte. Sein Umhang hing schief von seinen Schultern, der Beutel mit dem Lederetui schaute darunter hervor und der fünfzackige Stern auf seinem Wams blitzte in der Sonne.
    Verwirrt blickte er um sich, drehte sich einmal im Kreis und betrachtete dabei bestürzt die Burgmauern und die höfische Gesellschaft im Burghof. Dann breitete er die Arme aus und rief verzweifelt: »This castle is false, I wis!«
    »Was heißt denn das?«, wisperte Agnes.
    »Er sagt, er weiß, dass er auf der falschen Burg ist«, antwortete Gottfried und zuckte die Schultern. »Und das ist ja wohl auch richtig.«
    »Wenigstens redet er jetzt«, flüsterte Jakob. »Ich hab’s ja gewusst!«
    |81| »Aber er redet wie Geoffrey!«, sagte Hannes entsetzt. »Das war Englisch!«
    Kaum hatte der Fremde den Satzgerufen, kam Bewegung in Graf Guy. Zornig musterte er ihn von Kopf bis Fuß, warf seinen Schneeball wutentbrannt auf den Boden und brüllte: »Mon Dieu! Un Anglais! Ein Engländer!«
    Graf Wilhelm und Konrad stürzten sofort herbei. Der Fremde beobachtete verstört, wie sie den aufgebrachten Grafen festhielten und beruhigend auf ihn einsprachen. Dann schwankte er und brach zusammen.
    »Das war zu viel für ihn«, stellte Hannes fest.
    Gottfried war bereits losgerannt, um dem Ohnmächtigen zu helfen. Da kam Bruder Gisbert auf den Burghof gelaufen.
    »Was macht er denn nur?«, sagte er aufgeregt. »Ich habe ihm etwas zu essen geholt, und als ich zurückkam, war die Kammer leer!«
    Mit Gottfrieds Hilfe hob er den Fremden hoch, der wieder so weit zu sich gekommen war, dass er auf sie gestützt in die Kammer zurückgehen konnte.
    Graf Wilhelm führte seinen Schwager zur Treppe in die Halle und die restliche Gesellschaft folgte ihnen erschrocken. Konrad kam schnell zu Hannes, Jakob und Agnes herüber.
    »Das ist seltsam«, flüsterte er aufgeregt. »Seht mal, der da!«

6
Die Geister der Raunacht
    W ohin willst du?«
    Adelgunde stand empört im Flur ihres Hauses am Markt und hielt ihre Tochter am Arm fest.
    Agnes blickte ihre Mutter erschrocken an. Jakob und Hannes warteten draußen auf dem Marktplatz. Sie hatten Schneebälle gegen ihren Fensterladen geworfen und ihr aufgeregte Zeichen gegeben. Es konnte nur um den Fremden auf der Burg gehen! So schnell wie möglich wollte sie die Treppe hinunter und aus dem Haus schleichen, aber sie lief ausgerechnet ihrer Mutter in die Arme.
    Zornig blickte Adelgunde ihre Tochter an.
    »Dauernd treibst du dich mit diesen beiden Bengeln herum. Diesen Früchtchen! Die Tuchhändlerin und die Silberschmiedin schauen mich schon ganzschief an! Also? Wohin willst du?«
    Agnes überlegte fieberhaft. Dass die beiden Nachbarinnen ihre Mutter nicht gerade freundlich behandelten, lag bestimmt immer noch an dem, was in der Weihnachtsnacht beim Krippenspiel passiert war. Was sollte sie ihr jetzt sagen?
    |85| »Ich muss zur Burg. Wir müssen Konrad helfen.«
    »Konrad? Noch so ein Bengel?«
    »Nein, der Sohn des Grafen. Er braucht unsere Hilfe und   …«
    Adelgunde wartete den Rest des Satzes gar nicht mehr ab. »Der Sohn des Grafen!«, flüsterte sie. Ein Lächeln verklärte ihr Gesicht und sie schaute stolzauf ihre Tochter. »Das ist natürlich etwas anderes.« Sie zupfte Agnes’ Umhang zurecht und betrachtete sie prüfend.
    Agnes nutzte ihren Vorteil. »Ja, es geht um den Schwager des Grafen, Guy de Vitry. Wir sollen ihn im Auge behalten, damit er den Engländer in Ruhe lässt. Konrad sagt, er verlässt sich auf uns.«
    »Oh!«
    Agnes kannte ihre Mutter gut.

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