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Das Zeichen des fremden Ritters

Das Zeichen des fremden Ritters

Titel: Das Zeichen des fremden Ritters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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zum Hohen Tisch. Dort saßen Graf Wilhelm und Gräfin Elisabeth auf verzierten Stühlen mit hohen Lehnen. Hinter ihnen stand Konrad, der Sohn der beiden. Er war ein Jahr älter als Hannes und musste als Page seines Vaters dafür sorgen, dass die Kelche am Hohen Tisch immer mit Wein gefüllt waren.
    Die Gräfin unterhielt sich mit der Dame neben ihr, mit Amalia, der Schwester des Grafen. Zwischen ihnen thronte Konrads kleine Schwester Anna. Ihre Augen glänzten stolz, weil sie ausnahmsweise bei den Erwachsenen sitzen durfte.
    Auf der anderen Seite neben Graf Wilhelm hörte Guy de Vitry dem Gespräch seines Schwagers zu. Graf Wilhelm |16| freute sich, dass Gottfried gekommen war, wie sie es im Sommer verabredet hatten.
    »Und wen hast du da mitgebracht?«, fragte er.
    »Geoffrey, einen Spielmann aus England«, antwortete Gottfried mit einer Verbeugung.
    Auch Geoffrey verbeugte sich vor den beiden Grafen.
    Graf Guys Miene verfinsterte sich.
    »Engländer!«, schnaubte er.
    Graf Wilhelm beachtete ihn gar nicht.
    »Was werdet ihr uns spielen?«
    »Wir haben uns etwas Besonderes überlegt«, antwortete Gottfried. »Etwas, das zum heutigen Fest passt.«
    »Ein Weihnachtslied aus meiner Heimat«, fügte Geoffrey hinzu und verbeugte sich wieder. »Wir singen die Strophen auf Englisch und auf Deutsch.«
    Graf Guy schnaubte abermals empört. Graf Wilhelm legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm. Mit der anderen wies er auf den Platzzwischen den Tischen.
    »Lasst es uns hören«, forderte er die Spielmänner freundlich auf.
    Gottfried und Geoffrey gingen in die Mitte der Halle.
    »Wohlan!«, rief Gottfried, wie er es immer tat, damit alle ihm zuhörten.
    Der fröhliche Lärm der Gäste wurde leiser. Alle blickten die beiden Spielmänner erwartungsvoll an. Gottfried spielte die Melodie auf seiner Laute und sie sangen abwechselnd.
    |17| Nowell, Nowell, both old and ying,
    Nowell, Nowell, now may we sing
    In worship of our heavenly King,
    Almighty God in Trinity.
     
    Noël, Noël, euch allen hier,
    Noël, Noël, nun singen wir
    dem Himmelskönig zu seiner Ehr,
    Allmächt’ger Gott, Dreifaltigkeit.
     
    Listen, lordings, both lief and dear,
    Listen, ladies, with glad cheer,
    A song of mirth now may ye hear,
    How Christ our brother He would be.
     
    Hört zu, ihr Herren, wohlgesinnt,
    hört zu, ihr Damen, froh gestimmt,
    ihr hört ein heitres Lied geschwind,
    wie Christ unser Bruder wird heut.
    Geoffrey begann mit der dritten Strophe, aber Graf Guy wartete sie gar nicht mehr ab. Mit zornrotem Gesicht stand er auf und verließ die Halle durch die Tür zu einem Nebenraum. Graf Wilhelm gab Gottfried ein Zeichen, weiterzumachen, damit das Fest nicht gestört wurde, und folgte seinem Schwager.
    Hannes, der gerade auf dem Weg zur Küche war, schlich ihnen neugierig nach. Er wollte wissen, wieso Geoffrey den Grafen so zornig machte. Pierre hatte in der Küche |18| auch schon so seltsam auf ihn reagiert. Er schlüpfte hinter den Vorhang vor einer Wandnische und erschrak. Da stand jemand!
    Aber es war nur Konrad, der Grafensohn, der schnell einen Finger auf die Lippen legte.
    »Sei still«, wisperte er. »Sie dürfen uns nicht entdecken. Mein Onkel verdirbt das Fest. Er hat etwas gegen den Spielmann und ich will wissen, was.«
    Hannes nickte. Das wollte er auch. Sie spähten durch einen Spalt im Vorhang in den spärlich beleuchteten Raum. Hannes kannte die Kammer gut. Große Kannen mit Wein und Bier standen auf einer Anrichte für das Fest bereit. Auf dem Tisch in der Mitte lagen frische Brotfladen, die als Teller benutzt wurden. Unter dem Tisch standen Körbe, in denen später die mit Soßen und Fett getränkten Brotfladen für die Armenspeisung gesammelt werden sollten.
    Graf Guy trat wütend gegen einen der Körbe.
    »Engländer!«, zischte er aufgebracht. »Konntest du das nicht verhindern?«
    »Ich habe nicht gewusst, dass Gottfried einen englischen Spielmann mitbringt«, sagte Graf Wilhelm ruhig. »Und warum auch nicht? Er hat eine sehr schöne Stimme.«
    »Pah!« Wieder trat Graf Guy gegen den Korb. »Ich hasse Engländer. Sie haben zu viele Mitglieder meiner Familie auf dem Gewissen. Und ihr hier am Rhein habt auch noch gemeinsame Sache mit ihnen gemacht und ein Bündnis mit ihnen geschlossen.«
    |19| Graf Wilhelm betrachtete seinen Schwager nachdenklich. Nach einer Weile sagte er: »Unsere Kaufleute treiben gut und erfolgreich Handel mit England. Wir haben nichts gegen sie. Warum hätten wir sie nicht unterstützen sollen?« Er

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