Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
Sire, doch wie sie dorthin gekommen ist, kann ich nicht sagen.»
    «Wer hat sie gefunden?»
    «Sire, das war ich, Sire.» Sir Martin trat in seiner lehmbespritzten Priesterkutte aus der Menge. «Ich war es, Sire», wiederholte er und ließ sich auf ein Knie hinab. «Und er ist ein guter Junge, Sire, ein gottesfürchtiger Junge.»
    Sir Edward hätte den ganzen Tag Michaels Unschuld beteuern und den König dennoch zu keinem Zweifel bewegen können, doch das Wort eines Priesters wog viel schwerer. Henry nahm die Zügel in eine Hand und beugte sich aus dem Sattel vor. «Wollt Ihr damit sagen, dass er die Pyxis nicht genommen hat?»
    «Er...», begann Hook erneut, und Evelgold versetzte ihm einen so heftigen Fausthieb in den Magen, dass er sich zusammenkrümmte.
    «Die Pyxis wurde unter seinen Sachen gefunden, Sire», sagte Sir Martin.
    «Also?», fing der König an und unterbrach sich wieder. Er wusste offenkundig nicht, was er davon halten sollte. In einem Moment hatte der Priester nahegelegt, dass Michael unschuldig war, und im nächsten tat er das Gegenteil.
    «Es ist unbestreitbar, Sire», sagte Sir Martin, dem es gelang, seine Stimme bekümmert klingen zu lassen, «dass die Pyxis bei seinen Sachen gefunden wurde. Das betrübt mich sehr, Sire, es macht mir das Herz schwer.»
    «Und mich erzürnt es!», rief der König. «Und es erzürnt Gott! Wir riskieren Sein Missfallen, Seinen Zorn, und all das für einen Kupferkasten! Hängt ihn!»
    «Sire!», schrie Michael verzweifelt, doch es gab kein Erbarmen, keine Berufung und keine Hoffnung. Der Strick war schon um einen Ast gelegt, dann wurde die Schlinge um Michaels Hals festgezogen, und zwei Männer hängten sich ans andere Ende des Stricks, um den Verurteilten in die Höhe zu ziehen.
    Hooks Bruder machte würgende Geräusche, während sich sein Körper wand, seine Beine zuckten und um sich traten, und langsam, sehr langsam, verwandelte sich das Treten in krampfartige Bewegungen, in Zittern, und das würgende Geräusch wurde zu einem keuchenden Ringen um Atem, das schließlich zu nichts verklang. All das dauerte zwanzig Minuten, und der König verfolgte jedes Zucken, und erst als er zufrieden feststellen konnte, dass der Dieb tot war, wandte er seinen Blick von ihm ab. Dann stieg er vom Pferd und ließ sich vor seiner Armee und dem überraschten Priester auf ein Knie nieder. «Wir erbitten Eure Vergebung», sagte er laut und auf Englisch, eine Sprache, die der Priester nicht verstand, «und die Vergebung des Allmächtigen Gottes.» Er hielt die Pyxis in seinen Händen, und der Priester, erschrocken über die Vorgänge, deren Zeuge er geworden war, nahm sie verunsichert entgegen. Dann malte sich Erstaunen auf sein Gesicht, denn das Kästchen war viel schwerer als zuvor. Der König von England hatte es mit Münzen gefüllt.
    «Lasst den Toten hängen!», befahl Henry, während er wieder aufstand. «Und setzt euch in Marsch! Wir marschieren weiter!» Er nahm die Zügel seines Pferdes, stellte einen Fuß in den Steigbügel und schwang sich gewandt in den Sattel. Dann ritt er mit seinem Gefolge weg, und Hook wollte zu dem Baum, an dem die Leiche seines Bruders hing.
    «Wohin zum Teufel gehst du?», fragte Sir John schroff.
    «Ich beerdige ihn.»
    «Du bist ein gottverdammter Narr, Hook», sagte Sir John und schlug ihn mit seiner Hand im Panzerhandschuh ins Gesicht. «Willst du es immer noch tun?»
    «Er war es nicht!», begehrte Hook auf.
    Sir John schlug ihn erneut, härter dieses Mal, sodass sich auf Hooks Wange blutige Striemen zeigten. «Es kommt nicht darauf an, ob er es war», knurrte er. «Gott hat ein Opfer gebraucht, und Er hat es bekommen. Vielleicht sind wir noch am Leben, weil dein Bruder gestorben ist.»
    «Er hat nicht gestohlen, er hat noch nie gestohlen, er ist ehrlich!», sagte Hook.
    Die behandschuhte Hand traf Hooks andere Wange. «Und du wirst dich hüten, den Entscheidungen unseres Königs zu widersprechen», sagte Sir John. «Und du wirst ihn nicht beerdigen, weil der König nicht will, dass er beerdigt wird! Du kannst dich glücklich schätzen, Hook, dass du nicht mit heruntergelaufener Pisse an deinen gottverdammten Beinen neben deinem Bruder hängst. Jetzt steig auf dein Pferd und reite.»
    «Der Priester hat gelogen!»
    «Das ist nicht deine Angelegenheit», sagte Sir John, «und meine auch nicht, und es ist ganz bestimmt nicht die Angelegenheit des Königs. Steig auf dein Pferd, oder ich lasse dir deine gottverdammten Ohren abschneiden.»
    Hook

Weitere Kostenlose Bücher