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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Straße nach dem blitzenden Widerschein eines Sonnenstrahls Aussicht, der sich in einer Rüstung brach, und nach dem unvermittelten Auftauchen von flatternden Bannern, die die Ankunft der herzoglichen Truppen ankündigten, oder schlimmer, die Ankunft der feindlichen Armee. Doch die einzigen Soldaten, die er sah, waren Burgunder aus der Garnison von Soissons, die Verpflegung in die Stadt brachten. Manchmal ritten die englischen Bogenschützen mit auf diese Beutezüge, doch sie trafen niemals auf feindliche Männer, es sei denn, man zählte die Leute dazu, deren Korn und Vieh sie stahlen. Das Bauernvolk suchte in den Wäldern Zuflucht, wenn die burgundischen Truppen kamen, doch die Bürger von Soissons konnten sich nicht verstecken, wenn die Soldaten ihre Häuser nach gehorteten Lebensmitteln durchstöberten. Seigneur Enguerrand de Bournonville, der Befehlshaber der Burgunder, erwartete die Ankunft des französischen Gegners im Frühsommer und wollte einer langen Belagerung standhalten, also ließ er Korn und Pökelfleisch in der Kathedrale aufhäufen, um die Besatzer und das Stadtvolk zu ernähren.
    Nick Hook half, die Nahrungsmittel in der Kathedrale zu verstauen, in der es bald wie in einer Kornkammer roch, auch wenn sich in diesen schweren Geruch immer ein Hauch von gebeiztem Leder mischte. Soissons war für seine Schuster, Sattler und Gerber berühmt. Die Gerbergruben lagen südlich der Stadt, und wenn ein warmer Wind wehte, trieb er den stechenden Gestank des Urins, in das die Häute eingeweicht wurden, als faulige Wolke über die Häuser. Hook ging oft in der Kathedrale umher, betrachtete die bemalten Wände oder den Altar, der reich mit Silber, Gold und Email verziert und mit kunstvoll bestickten Stoffen aus Seide und Leinen geschmückt war. Er war noch nie zuvor in einer Kathedrale gewesen. Ihre schiere Größe, die Schatten hoch oben unter dem Dach, die stummen Mauersteine - all das vermittelte ihm das unbestimmte Gefühl, dass es im Leben mehr geben musste als einen Bogen, einen Pfeil und die Muskeln, um sie zu benutzen. Er wusste nicht, was dieses Etwas sein mochte, doch dass es existierte, war ihm seit jenem Tag in London klar, an dem die Stimme in seinem Kopf erklungen war. Eines Tages kniete er unbeholfen vor einer Statue der Jungfrau Maria nieder und bat sie um Vergebung für sein Versagen in London. Er blickte empor in ihr melancholisches Antlitz, und er glaubte, dass ihre Augen, die mit blauer und weißer Farbe zum Strahlen gebracht worden waren, tadelnd auf ihn herabsahen. Sprich zu mir, betete er, doch er vernahm keine Stimme in seinem Kopf. Keine Vergebung für Sarahs Tod, dachte er. Er hatte Gott enttäuscht. Er war verflucht.
    «Glaubst du vielleicht, sie kann dir helfen?», unterbrach eine säuerliche Stimme seine Gebete. Hook wandte sich um. John Wilkinson stand hinter ihm.
    «Wenn sie es nicht kann», sagte Hook, «wer soll es dann können?»
    «Ihr Sohn?», schlug Wilkinson bissig vor. Der alte Mann sah sich verstohlen um. Ein halbes Dutzend Priester las an den Seitenaltären die Messe, doch sonst waren nur Nonnen in der Kathedrale, die unter den strengen Augen von Priestern durch das weite Kirchenschiff huschten. «Die armen Mädchen», sagte Wilkinson.
    «Arm?»
    «Denkst du etwa, sie wollten Nonnen werden? Ihre Eltern haben sie ins Kloster gesteckt, damit sie keine Schwierigkeiten machen. Das sind Bastardkinder der Reichen, mein Junge, und sie wurden eingesperrt, damit sie keine eigenen Bastarde in die Welt setzen können. Komm, ich will dir etwas zeigen.» Er wartete keine Antwort ab, sondern stapfte zum Hochaltar, der sich goldschimmernd unter dem erstaunlichen Gewölbe erhob, das am östlichen Ende des Gebäudes auf einem Säulenhalbrund ruhte. Wilkinson kniete neben dem Altar nieder und senkte ehrfurchtsvoll den Kopf. «Sieh dir die Kästchen an, Junge», befahl er Hook.
    Hook stieg zu dem Altar hinauf, auf dem rechts und links neben einem goldenen Kruzifix silberne und goldene Kästchen standen. Die meisten von ihnen hatten vorne eine Scheibe aus Kristall. Durch die Verzerrungen dieses Fensters erkannte Hook Lederstücke. «Was ist das?», fragte er.
    «Schuhe», sagte Wilkinson, den Kopf immer noch gesenkt mit gedämpfter Stimme.
    «Schuhe?»
    «So etwas zieht man an die Füße, Hook, damit einem der Dreck nicht zwischen den Zehen hängen bleibt.»
    Das Leder wirkte alt, dunkel und ausgedörrt. In einem der Reliquiare lag ein Schuh, der so stark geschrumpft war, dass Hook glaubte, es

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