Das Zeichen des Sieges
«Der arme kleine Bastard. Er hat bloß nach seinem Vater gesucht.» Er warf die Kette mit dem Anhänger in seine Tasche, hob eine weitere Ahlspitze auf und wandte sich in Richtung der englischen Linie.
Dort war der König mit seinem eingebeulten Helm und seinem von feindlichen Klingen zerfetzten Wappenrock auf sein zierliches weißes Pferd gestiegen, um sich größeren Überblick über den Feind zu verschaffen. Er sah die Überlebenden der Schlacht, die sich nordwärts zurückzogen, und dahinter die dritte Kampfeinheit mit erhobenen Lanzen, und er wusste, dass seine Bogenschützen wenige oder gar keine Pfeile mehr hatten.
Dann kam ein Kundschafter mit der Nachricht von der Plünderung des Lagers durch die Franzosen zu ihm, und als sich der König im Sattel umwandte, sah er, dass Hunderte seiner Männer damit beschäftigt waren, französische Gefangene zu bewachen. Gott mochte wissen, wie viele Gefangene es waren, doch ihre Zahl übertraf die seiner Feldkämpfer bei weitem. Er ließ seinen Blick nach rechts und links wandern. Er hatte die Schlacht mit neunhundert Feldkämpfern begonnen, und nun war die Linie viel dünner, weil so viele seiner Männer Gefangene genommen hatten und sie nun bewachten. Die Bogenschützen hatten das Gleiche getan. Ein paar waren auf dem Feld, um Pfeile einzusammeln, und der König schätzte diesen Einfall, doch er wusste auch, dass sie niemals genügend Pfeile sammeln konnten, um die Pferde der dritten Kampfeinheit zu töten. Er beobachtete, wie ein närrischer Franzose die Bogenschützen angriff, und zog eine Grimasse, als seine Männer den Tod dieses tapferen Narren bejubelten. Dann ließ er seinen Blick erneut auf seiner Armee ruhen.
Die Schlachtordnimg hatte sich aufgelöst. Henry wusste, dass sich die Kampflinie wieder formieren würde, wenn die letzte französische Kampfeinheit angriff, doch nun standen Hunderte von Gefangenen im Rücken der englischen Kampflinie, und diese Gefangenen konnten immer noch kämpfen. Sie hatten keine Helme, und sie hatten ihre Waffen abgeben müssen, aber sie konnten seiner Kampf-linie dennoch in den Rücken feilen. Den meisten waren die Hände gefesselt worden, aber nicht allen, und die ungefesselten Männer konnten die änderen befreien, sodass sie sich auf die bedenklich dünne englische Linie werfen konnten. Zudem waren da noch die anderen Franzosen, die seinen Tross plünderten, doch das konnte warten. Das Wichtigste war jetzt, den dritten französischen Angriff abzuwehren, und um das zu tun, brauchte er jede Klinge seiner kleinen Armee. Die vorrückenden Pferde würden von den Hunderten Leichen behindert werden, aber schließlich würden sie an ihnen vorbeikommen, und dann würden sich die langen Lanzen in seine Kampflinie bohren. Er brauchte dringend Männer.
Und Männer sahen zum König empor. Sie sahen ihn die Augen schließen und wussten, dass er zu seinem gestrengen Gott betete, dem Gott, der seine Armee an diesem Tag bisher verschont hafte, und Henry betete, dass ihm Gottes Gnade erhalten bliebe, und während sich seine Lippen im Gebet bewegten, erhielt er die Antwort. Die Antwort war so unglaublich, dass Henry einen Moment lang gar nichts tat. Dann sagte er sich, dass Gott zu ihm gesprochen hatte, und öffnete die Augen.
«Tötet die Gefangenen», befahl er.
Einer der Feldkämpfer seiner Hausmacht starrte nur zu ihm empor. Er glaubte, nicht richtig gehört zu haben. «Sire?»
«Tötet die Gefangenen!»
Auf diese Weise würden die Gefangenen nicht mehr kämpfen können, und die Männer, die sie bewachten, würden in die Kampflinie zurückkehren.
«Tötet sie alle!», rief Henry. Er deutete mit der behandschuhten Hand auf die Geiseln. Einer seiner Feldkämpfer schätzte nach einer schnellen Zählung, dass mehr als zweitausend Franzosen festgesetzt worden waren, und Henrys Geste schloss sie alle ein. «Tötet sie!», ordnete Henry erneut an.
Die Franzosen waren mit der Oriflamme in den Kampf gezogen, die keine Schonung verhieß, und so würde auch er ihnen keine Schonung gewähren.
Die Gefangenen würden sterben.
Seigneur de Lanferelle ging niedergeschlagen hinter der englischen Linie auf und ab. Er sah den englischen König mit seinem Helm voller Kampfspuren auf dem Pferd sitzen. Er erschrak, als er sah, dass auch der Duc d'Orleans, der Neffe des französischen Königs, zu den Gefangenen gehörte. Er war ein junger Mann, charmant und geistreich, doch nun, in einem blutbespritzten Wappenrock, den Arm im festen Griff eines
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