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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Soissons», fuhr er fort. Er hielt inne, den Bogen halb gespannt. Der Schatten bewegte sich, und Hook dachte, er würde stromabwärts verschwinden, doch dann glitt er zur anderen Uferseite hinüber.
    Melisande starrte in Hooks Gesicht hinauf. «Er war dort?»
    «Langes schwarzes Haar», sagte Hook.
    «Ich habe ihn nicht gesehen!»
    «Du hattest fast die ganze Zeit deinen Kopf in meine Schulter vergraben», sagte Hook. «Du wolltest es nicht sehen. Sie haben die Männer gefoltert. Ihnen die Augen ausgestochen. Sie herausgeschnitten.»
    Melisande verharrte schweigend. Hook hob den Bogen etwas, dann sprach sie erneut, doch ihre Stimme war leise. «Mein Vater wird noch anders genannt», sagte sie, «der Seigneur d'Enfer.»
    «Das ist der Name, den ich gehört habe», sagte Hook.
    «Der Seigneur d'Enfer», wiederholte Melisande. «Der Herr der Hölle. Das kommt daher, dass Lanferelle so ähnlich klingt wie l'enfer , und l'enfer bedeutet Hölle. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass er im Kampf so erbarmungslos ist. Er hat viele Männer in die Hölle geschickt, glaube ich. Und manche in den Himmel.»
    Schwalben jagten über dem Fluss umher, und aus dem Augenwinkel sah Hook das blaue Aufblitzen eines Eisvogels im Flug. Der Schatten stand wieder still. Hook zog die Sehne weiter zurück, konnte sie jedoch nicht ganz spannen, weil Melisandes schlanker Körper im Weg war, doch auch halb gespannt war der große Kriegsbogen eine schreckliche Waffe.
    «Er ist kein schlechter Mann», sagte Melisande, als wolle sie sich selbst überzeugen.
    «Du klingst aber nicht sehr sicher», erwiderte Hook.
    «Er ist mein Vater.»
    «Der dich in ein Nonnenkloster gesteckt hat.»
    «Ich wollte nicht hin!», sagte sie erbittert. «Ich habe es ihm gesagt! Nein! Nein!»
    Hook lächelte. «Du wolltest also keine Nonne werden, was?»
    «Ich kannte die Schwestern. Meine Mutter hatte mich mitgenommen, wenn sie die Nonnen besucht hat. Wir haben ihnen», sie hielt inne und suchte vergeblich nach den englischen Worten, «les prunes de damas, abricots et coings gegeben.» Sie zuckte mit den Schultern. «Ich weiß nicht, wie das heißt. Wir haben den Schwestern Früchte gebracht, aber sie waren trotzdem niemals freundlich zu uns. Sie waren abscheulich.»
    «Dennoch hat dich dein Vater zu ihnen geschickt.»
    «Er hat gesagt, ich soll für ihn beten. Das war meine Aufgabe. Aber weißt du, worum ich stattdessen gebetet habe? Ich habe darum gebetet, dass er eines Tages wiederkommen würde», sagte sie sehnsüchtig, «dass er auf seinem großen Pferd durch den Klostergarten reiten und mich mitnehmen würde.»
    «Willst du deshalb nach Frankreich?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Ich will bei dir sein.»
    «Deinem Vater würde ich nicht gefallen.»
    Das tat sie mit einem Schulterzucken ab. «Warum sollte er uns je wieder begegnen?»
    Hook zielte genau unter den Schatten, ohne darüber nachzudenken, dass er zielte. Stattdessen dachte er an einen großen Mann mit langem schwarzem Haar, der nichts tat, um Folter und Qual zu beenden. Er dachte an den Herrn der Hölle. «Abendessen», sagte er schroff und ließ die Bogensehne los.
    Der Pfeil schnellte davon. Seine weißen Federn schimmerten im Licht der untergehenden Sonne. Er fuhr ins Wasser, das plötzlich zu kochen schien, und der rasende Wirbel verjagte die Forellen stromaufwärts, und das Wasser war immer noch aufgewühlt, als Hook in den Fluss sprang.
    Der Pfeil war durch den Hecht gefahren, bevor er sich ins gegenüberhegende Ufer gebohrt hatte, und Hook musste sich mit den Füßen gegen den Abhang stemmen, um den Schaft aus der Erde zu ziehen. Er trug den Fisch zurück. Der Hecht wand sich am Pfeilschaft und versuchte Hook zu beißen, doch als Hook das westliche Ufer erreicht hatte, schlug er dem Hecht mit dem Griff seines Messers auf den Kopf, und der riesige Fisch war sofort tot. Er war beinahe so lang wie Hooks Bogen, ein großer dunkler Jäger mit grausamen Zähnen.
    «Un brochet!» , sagte Melisande erfreut.
    «Ein Hecht», sagte Hook, «da ist viel Fleisch dran.» Er nahm den Fisch direkt am Ufer aus und warf die Innereien in den Fluss zurück.
    Am nächsten Tag führte Sir John eine Gruppe seiner Männer nach Westen, um Korn, Trockenerbsen und Räucherfleisch zu kaufen. Er überließ Hook dabei die bequemste Aufgabe, die darin bestand, in einem Dorf an einem Taleinschnitt zu bleiben und den Wagen zu bewachen, der vor einem Gasthaus namens Maus und Käse stand und nach und nach mit Säcken und Fässern

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