Das Zeichen des Vampirs - The Society of S
den Existenzialisten beschäftigen, findest du nicht?«, sagte er.
»Vater«, sagte ich. »Ich würde mich liebend gern noch ein bisschen länger mit den Existenzialisten beschäftigen, und ich bin dir sehr dankbar dafür, dass du mir alles so ausführlich erzählst. Wirklich. Aber ich ertrage den Gedanken nicht, noch einmal schlafen zu gehen, ohne zu wissen, was mit meiner Mutter los ist oder ob ich sterben werde.«
Er setzte sich in seinem Stuhl auf und blickte auf meinen mittlerweile leer gegessenen Teller. »Dann lass uns in den Salon hinübergehen und ich erzähle dir den Rest der Geschichte.«
Am Ende war vollkommen gleichgültig, wie mein Vater es meiner Mutter erzählen sollte. Denn als sie ihm am Flughafen gegenüberstand, sagte sie: »Du hast dich verändert.«
Statt mit ihr nach Cambridge zurückzufahren, blieben sie in London und verbrachten fünf Tage im Hotel Ritz, wo sie
versuchten, eine Lösung zu finden. Sara hatte sorgfältig für die Reise gepackt und Kleidungsstücke für jeden Anlass mitgebracht. Mein Vater erzählte mir, sie hätte einen unverwechselbaren Stil gehabt, und er könne sich noch gut an ein grünes Chiffonkleid erinnern, das sich wie Endiviensalat gekräuselt habe.
Aber es gab keinen Anlass für sie, sich schön zu machen. Statt ins Theater oder auch nur auf eine Tasse Tee ins Café des Hotels zu gehen, blieben sie in ihrer Suite, ließen sich das Essen aufs Zimmer bringen und kämpften erbittert um ihre Zukunft.
Als mein Vater ihr von seinem neuen Zustand erzählte, reagierte sie, wie Menschen auf die Nachricht vom Tod eines geliebten Menschen reagieren: mit Schock, Ablehnung, Zweifel, Schuldzuweisungen, Wut, Mutlosigkeit, aber schließlich begann sie, es zu akzeptieren.
(Er merkte an dieser Stelle an, dass ich auf die Dinge, die er mir erzählte, nicht so reagiert habe, und zog daraus den Schluss, dass ich durchaus »eine von ihnen« sein könnte.)
Meine Mutter gab sich die Schuld an dem, was meinem Vater zugestoßen war, und warf sich vor, ihn gedrängt zu haben, nach England zu gehen. Anschließend suchte sie die Schuld bei ihm und wollte wissen, wer ihm das angetan oder ob er sich selbst in diese Situation gebracht hätte. Am Ende konnte sie nur noch weinen, und es dauerte fast einen ganzen Tag, bis sie damit auf hörte.
Immer wenn sie es zuließ, nahm mein Vater sie in den Arm, aber er hielt sie ganz vorsichtig, weil er Angst hatte, das könne ihn in Versuchung führen, ihr Blut trinken zu wollen. Wirklich entspannen konnte er sich in ihrer Nähe nicht, weil er sich selbst nicht traute.
Er sagte, er verfluche den Tag, an dem er geboren wurde - woraufhin er sich sofort für die abgedroschene Redewendung entschuldigte -, und kündigte an, um ihrer Liebe willen aus ihrem Leben verschwinden zu wollen.
Aber davon wollte sie nichts hören, und als sie sich wieder etwas beruhigt hatte, bestand sie hartnäckig darauf, dass sie zusammenbleiben sollten. Wenn mein Vater sie verlassen würde, so sagte sie, würde sie sich das Leben nehmen.
Mein Vater warf ihr vor, pathetisch zu werden.
»Du bist es doch, der aus unserem Leben ein pathetisches Drama gemacht hat!«, rief sie. »Du bist es doch, der es fertiggebracht hat, ein verdammter Vampir zu werden.«
»Logisch zu argumentieren, war nie Saras Stärke«, erzählte mir mein Vater.
Nach fünf Tagen war mein Vater emotional und körperlich am Ende seiner Kräfte.
Sara hatte gewonnen. Sie reiste mit einem Verlobungsring am Finger - der Nachbildung eines etruskischen Rings, auf dem ein winziger Vogel saß - nach Savannah zurück. Mein Vater hatte ihn gekauft, als er das erste Mal in London gewesen war. Ein paar Wochen später packte auch er seine Sachen und flog nach Hause.
Er zog zu Sara in das Backsteinhaus - in dem es tatsächlich spukte -, und die beiden fanden jeden Tag neue Mittel und Wege, um mit dem »Gebrechen« meines Vaters, wie Sara es nannte, leben zu können. Dennis blieb zunächst in Cambridge, schickte meinem Vater aber regelmäßig gefriergetrocknete »Cocktails«, deren Zusammensetzung der von frischem Menschenblut immer ähnlicher wurde und die den Grundstein für das Forschungsunternehmen bildeten, das einmal »Seradrone« heißen würde.
Nach ein paar Monaten heirateten meine Mutter und mein Vater in Sarasota, einer Küstenstadt in Florida, und zogen wenig später nach Saratoga Springs. (Sara hielt weiterhin an ihrem Glauben fest, der Buchstabe S würde Glück bringen, und mein Vater ließ ihr ihren
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