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Das Zeichen des Vampirs - The Society of S

Titel: Das Zeichen des Vampirs - The Society of S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hubbard
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allein, schrieb mir aber vorher noch seine Telefonnummer auf eine alte Tankstellenquittung. Er reichte sie mir mit einem Zwinkern und ging.
    Es war keine einfache Familienzusammenführung.
    Schon nach wenigen Minuten wurde klar, dass Tante Sophie vom Leben bitter enttäuscht war. Immer und immer wieder hatten Menschen sie im Stich gelassen. Sie war einmal mit einem Mann verlobt gewesen, der eines Tages ohne ein Wort des Abschieds die Stadt verlassen hatte.
    Ihr Akzent ähnelte dem von Mr Winters. Genau wie er dehnte sie die Vokale, aber ihr Tonfall war schroffer und ihre Sätze grammatikalisch korrekt. Mr Winters hörte ich viel lieber zu als ihr. Als ich im Wohnzimmer auf dem dick gepolsterten, unbequemen Sofa saß, auf dessen Arm- und Rückenlehnen
Spitzendeckchen lagen, kam mir sogar der Gedanke, dass ich lieber mit Mr Winters verwandt gewesen wäre als mit dieser fremden Frau, die sich offensichtlich gern selbst reden hörte und anderen nicht zuhören konnte oder wollte.
    »Deine Mutter« - sie hielt inne, zog bedeutungsvoll die Brauen hoch und schüttelte den Kopf - »hat sich schon seit Jahren nicht mehr bei mir gemeldet. Das muss man sich mal vorstellen - die eigene Schwester! Nein, das kannst du natürlich nicht, du bist ja ein Einzelkind, Arabella. Noch nicht einmal eine Weihnachtskarte habe ich von ihr bekommen. Geschweige denn einen Anruf an meinem Geburtstag. Kannst du dir das vorstellen ?«
    Wenn ich nicht gerade erst das köstlichste Mittagessen meines Lebens gegessen hätte, hätte ich ihr vielleicht gesagt, dass ich mir das durchaus vorstellen konnte. Vielleicht hätte ich hinzugefügt, dass mein Name nicht Arabella war. Vielleicht wäre ich sogar gegangen. Sie war langweilig, herablassend, selbstsüchtig und wiederholte sich ständig. Mir wurde bald klar, dass sie ihr ganzes Leben auf Sara eifersüchtig gewesen war, und ich vermutete, dass sie keine Gelegenheit ausgelassen hatte, meine Mutter dafür büßen zu lassen. Aber noch war die Freude darüber, die Köstlichkeit von Austern entdeckt zu haben, nicht verflogen und stimmte mich versöhnlich und nachsichtig. Die Welt war an diesem Nachmittag gar kein so übler Ort, auch wenn Tante Sophie darin lebte.
    Sie saß auf der Kante ihres Sessels, die Füße in flachen schwarzen Schuhen akkurat nebeneinandergestellt und die Knie, um die sich farblose Nylonstrümpfe spannten, sittlich zusammengepresst - als wäre sie der Gast in diesem Haus. Ich nahm an, dass sie Ende fünfzig war; ihre Mundwinkel zeigten nach unten, und ihre Haut hatte einen gelblichen, blassen Ton,
den ich eher bei einer viel älteren, dünneren Frau erwartet hätte. Nur an ihren Augen konnte man erkennen, dass sie einmal hübsch gewesen war.
    Ihre Hände waren tief in den Taschen ihrer Schürze vergraben und ihre Ellbogen gerötet und schuppig. Das Zimmer war ganz in Beige und Weiß gehalten, die Möbel spießig und ungemütlich. In einer Glasvitrine standen Porzellanfigürchen, die gespenstisch fröhlich aussehende Kinder darstellten. Es gab nichts in dem Raum, das sich echt anfühlte.
    Als sie mich einlud, bei ihr zu übernachten, klang ihre Stimme so widerstrebend und merkwürdig fragend, dass ich am liebsten gegangen wäre. Aber sie war meine Tante. Und sie konnte mir etwas über meine Mutter erzählen, auch wenn sie sich bisher sehr bedeckt gehalten hatte. Aus diesem Grund beschloss ich, zu bleiben.
    Zum Abendessen gab es Geflügelsalat, der auf Eisbergsalatblättern angerichtet war, und zum Nachtisch grüne kernlose Trauben. Als ich danach in dem spärlich eingerichteten Gästezimmer lag, war ich enttäuscht und entmutigt. Ich nahm einen kräftigen Schluck von meinem Tonikum und tröstete mich damit, dass es auf der Welt nicht nur Tante Sophie gab, sondern eben auch Austern, Menschen wie Roger Winters und meine Mutter - das heißt, falls meine Mutter noch lebte. Ich zog mein Tagebuch heraus und begann zu schreiben.

    Sophie hatte meine Mutter vor dreizehn Jahren zum letzten Mal gesehen. (Das muss kurz nach meiner Geburt gewesen sein, obwohl sie es nicht erwähnte. Aber das war ja keine schwierige Rechenaufgabe.)
    Eines Nachmittags hatte sie einfach vor ihrer Tür gestanden.
    »Genau wie du«, sagte Sophie spitz. »Anscheinend sind die Leute heutzutage alle zu beschäftigt, um vorher anzurufen.«
    »Stand deine Telefonnummer schon damals nicht im Telefonbuch?«, fragte ich.
    »Oh«, seufzte sie und dehnte das Wort drei Silben lang. »Erinnere mich bloß nicht daran. Ich musste

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