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Das Zeit-Tippen

Das Zeit-Tippen

Titel: Das Zeit-Tippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Dann
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unter ihnen sein muß. Bennie könnte überall sein: auf einem Rundgang durch das Ossarium, beim Anzünden von Feuern auf dem Rasen, beim Vögeln kleiner Mädchen oder beim Tanz für ein weiteres Festmahl.
    „Erst einmal hätten wir Bennie nicht erlauben dürfen fortzugehen“, sagt Sandra zu Roger. „Er ist sicher in Schwierigkeiten geraten.“ Sie macht eine Pause und sagt dann: „Also ich werde ihn suchen.“ Nach einer weiteren Pause: „Was wirst du tun?“
    „Jemand muß bei den Kindern bleiben“, sagt Roger. „Ich bin sicher, daß es Bennie gutgeht. Er wird sicher gleich zurückkommen.“
    Sandra rennt natürlich beleidigt davon. Das ist zu erwarten gewesen, sagt sich Roger. Bennie hatte recht: Sie ist pervers. Nach etlichen tiefen Atemzügen vergißt Roger sie. Er streckt sich in dem kühlen Gras aus, blickt zu den alten Ahornbäumen empor, die in den Rotkehlchenhimmel zu ragen scheinen, und er spürt den Anflug von Gottes Gedanken. Er gähnt. Dieser Überfluß an Essen, frischer Luft und Eingebung haben ihn geschlaucht. Er hört den Kindern zu und träumt von Traktoren.
    Eine Salve widerhallt durch den Friedhof.
    „Papi, was ist das für ein Geräusch?“ fragt Rosemarie.
    „Die Kinder schießen wahrscheinlich mit Gewehren“, sagt Roger. Er öffnet die Augen und schließt sie dann wieder.
    „Warum schießen sie mit Gewehren?“
    „Um allen zu zeigen, daß der Tod ein freudiges Ereignis ist“, sagt Roger. Aber er schafft es nicht ganz, aus seiner Schlaf quelle aufzutauchen. Er sinkt in die Thermogefälle des Schlafes zurück und träumt von Traktoren, die über Grabsteine und Kinder und Bäume rollen.
     
     
    „Wann kommt Mami zurück?“ fragt Rosemarie.
    „Wenn sie Bennie gefunden hat“, sagt Roger und knöpft seinen Hemdkragen zu. Die Luft ist etwas kühl.
    „Wann ist das?“
    „Ich weiß nicht“, sagt Roger. „Hoffentlich bald.“ Er betrachtet die Abendröte. Die westlichen Berge sind rosa, und Roger stellt sich Regenbogen vor, die in einen flüssigen blauen Himmel sickern.
    Eine weitere Salve widerhallt durch den Friedhof.
    „Vielleicht wurde Mami erschossen“, sagt Rosemarie leise.
    „Vielleicht“, erwidert Roger.
    „Vielleicht ist sie tot“, sagt Rosemarie, während sie ihr Kleid glättet und dann fältelt.
    „Ist das so schlimm?“ fragt Roger. „Du mußt lernen, den Tod als einen Verbündeten zu betrachten. Wenn Mami nicht zurückkommt, wird es dir eine Lehre sein.“
    „Ich möchte mit dem Riesenrad fahren“, sagt Samson. „Du hast es mir versprochen.“
    „Wenn Mami nicht bald zurückkommt, machen wir eine Fahrt“, sagt Roger, während er den Friedhof bewundert. Sogar in der Abenddämmerung, in diesem Zwielicht, ist der Chastellain Cemetery noch schön, sagt er sich. Er ist eine stolze alte Jungfer, aber bald wird er zu einer Mitternachtshure. Er wird zum Karneval. Er wird aus Riesenrädern und Fahrten und Lichtern und Fackelprozessionen bestehen.
    Sich ins Gras zurücklehnend, sucht Roger nach den ersten Abendsternen. Da erblickt er zwei genau über sich. Sie blinzeln wie Sandras Augen. Er äußert einen Wunsch und bildet sich ein, daß Sandra ihn aus diesen kalten, lieblichen Augen anstarrt.
    Im Abenddunst drunten fängt die Fackelprozession an.

Der Trommellutscher
     
     
     
    Der Streit dauerte schon eine Stunde. Er verebbte, strömte heran, verebbte wieder – ein fester, berechneter Rhythmus. Die Flut setzte zum letzten Mal ein; sie brachte ein Echo mit sich, als würde sie irgendwo anders geflüstert.
    Frank Harris blieb ein kleiner Ball, während der Rest von ihm seine Frau anschrie. „So kann ich dich nicht lieben. Ich habe es einfach nicht. Es ist nicht da. Du verlangst etwas, das ich dir nun mal nicht geben kann. Und auch nicht will.“ Ein Zauberstab hob ihn aus seinem Sessel und schubste ihn zur Tür, in die Halle, an dem tiefer liegenden Eßzimmer vorbei und durch die Speisekammer.
    Seine Frau rannte kreischend, weinend, flehend hinter ihm her. Sie holte ihn ein, als er an der Klinke der Fliegendrahttür herumfummelte. Indem sie die Arme um seinen Bauch schlang, sank sie auf die Knie, und ihre Finger klammerten sich an seinen Gürtel, um Halt zu finden. Es würde ihm nichts nützen, sich durch die Tür zu zwängen; sie würde weinend an ihm hängenbleiben, und er könnte sie womöglich verletzen, wenn er sich loszureißen versuchte. Es war die alte Taktik; sie hatte schon früher funktioniert. Der Streit war vorbei. Jammernd würde sie ihm auf die

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