Das Zeit-Tippen
Friedhöfe.“
„Überhaupt nicht.“
Aber die Diskussion verstummt, sobald sich die silbrigen Aufzugtüren öffnen, um sie alle vom linkshirnigen Denken abzubringen.
„Laßt uns einen Rundgang durch den Friedhof machen“, sagt Roger beim Vorbeigehen unter der Flagge und den Insignien des Friedhofs. Roger zahlt beim Pförtner, der auf den Ärmeln und Epauletten seiner dunkelblauen Uniform die „Farben“ des Friedhofs trägt.
„Es macht dreiundfünfzig Dollar“, sagt der Pförtner. Er zeigt auf Bennie und sagt: „Ich muß ihn als Erwachsenen zählen, das ist Vorschrift.“
Roger zahlt heiter und führt seine laute Familie durch das offene schmiedeeiserne Tor. Vor ihm liegt der Chastellain Cemetery, das „einzig Wirkliche“, sagt er sich – da ist er, voller Treiben und Leben. Nachbar neben Nachbar, jeder ißt, trinkt, liebt, verkauft, kauft, und manche sterben sogar. Es ist eine von der Welt abgeschnittene Welt.
„Das ist die berühmte Avenue d’Auvergne“, sagt Roger, denn er hat Hodels Führer durch alte und moderne Friedhöfe gründlich studiert.
„Hier gibt es die besten Restaurants von allen Friedhöfen“, sagt er, während sie unter einer hellen Restaurantmarkise dahingehen.
„Da möchte ich hinein“, sagt Rosemarie, nachdem sie eine Speisekarte von einem Portier entgegengenommen und sie sich unter die Nase gehalten hat. „Ich kann fritierte Auberginen und gebratenes Spanferkel und Paupiette de Veau riechen, und ich habe Mamis Kocherei satt. Da möchte ich hinein.“
Der Portier grinst (wahrscheinlich denkt er an seine Kommission) und reicht Roger die Speisekarte.
„Wir haben selbst ein köstliches Picknick bei uns“, sagt Roger, und er ruft sich in Erinnerung, daß er die französische Küche sowieso satt hat.
Sie schlendern nordwärts über die schöne Avenue d’Auvergne, die von alten Bergrüstern beschattet wird, und die Restaurants weichen kleinen Läden. Noch nördlicher wird die Avenue eine dreckige Kopfsteinstraße voller Bettler und Hökerer, die Holzkarren vor sich herschieben.
„Hier gefällt es mir nicht“, sagt Rosemarie, während sie die hinter einem schmutzigen Schaufenster ausgestellten Jettura-Amulette und Natur Steinaschenbecher betrachtet.
„Man kann in diesen kleinen Läden allerlei okkulte Gegenstände finden“, sagt Roger. „Dieser Friedhof ist ein Heiligtum der Schwarzen Magie. Einige der besten Astrologen und Medien sind hier tätig.“ Roger bleibt vor einem Laden stehen, der auf Kerzen und Öle und Weihrauch aus wohlriechenden Holzarten und Kräutern spezialisiert ist. „Was für ein herrlicher Ort“, sagt Roger, während er Sandras Hand in seine nimmt. „Vielleicht sollten wir eine Kleinigkeit für die Kinder kaufen.“
Ein buckliger Bettler zupft Roger am Ärmel und sagt: „Ein Almosen für die Armen“, aber Roger überhört seine Bitte.
„Die Kinder werden unruhig“, sagt Sandra, deren Hand schlaff in der Rogers ruht. „Laß uns eine hübsche Stelle finden, wo sie spielen und wir picknicken können.“
„Da ist eine hübsche Stelle“, sagt Bennie, während er einem kleinen Mädchen zuzwinkert, das in einem Durchgang steht.
„Hello, großer Kerl“, sagt das Mädchen, das höchstens zwölf oder dreizehn sein kann. „Fünfzig Dollar bringen ein bißchen Leben in deinen Körper.“ Sie wackelt zünftig mit den Hüften, lehnt sich an ein Schaufenster und rümpft die Nase. „Na?“ Sie wendet sich an Roger und fragt: „Möchte Papi seinem Sohn nicht ein bißchen Leben spendieren?“ Dann lächelt sie wie ein Engel.
Roger lächelt Bennie zu, der einem der Totentänzer auf den Wandmalereien der Church of the Children gleicht.
„Papi, bitte mach schon“, drängelt Bennie.
„Schlag dir das aus dem Sinn“, sagt Sandra zu Roger. „Wir haben die Kinder hierhergebracht, um sie mit dem Tod vertraut zu machen und nicht mit Sex.“
„Das stinkt nach linkshirnigem Denken“, sagt das kleine Mädchen, wobei es mit dem Finger auf Sandra zeigt. „Der Tod ist ein Orgasmus und kein Artefakt.“
„Da hat sie recht“, sagt Roger zu Sandra. Nur die Jugend kann ohne Trug leben, denkt er. Sich den Tod einfach als Rückkehr zu dem Fluß der Natur vorstellend, gibt er Bennie einen neuen Fünfzig-Dollar-Schein.
„Vielen Dank, Papi“, und Bennie ist Hand in Hand mit seiner Fünf-Minuten-Freundin auf und davon. Sie verschwinden in einem dunklen Durchgang, der zwei lange baufällige Gebäude voneinander trennt.
„Wir sollten ihn nicht
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