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Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition)

Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition)

Titel: Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Kandel
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den Sauerstoffverbrauch von Nervenzellen zu bestimmen, die vermutlich mit der Aktivität von Nervenzellen korrelieren. Obwohl diese Verfahren nicht die Aktivität von einzelnen Zellen, sondern von Hirnregionen mit Tausenden Zellen zeigen, bot sich damit erstmalig die Gelegenheit, geistige Funktionen mit verschiedenen Hirnbereichen in Zusammenhang zu bringen und diese Funktionen am lebenden, handelnden und wahrnehmenden Gehirn zu untersuchen.
    Die bildgebenden Verfahren offenbaren, welche Hirnareale aktiviert sind, wenn eine Person eine bestimmte Aufgabe ausführt. Besonders bei der Gesichtserkennung hat sich die Bildgebung als informativ erwiesen. Im Jahre 1992 entdeckten Justine Sergent und ihre Mitarbeiter am Montreal Neurological Institute bei PET-Untersuchungen, dass bei gesunden Versuchspersonen, die Gesichter betrachten, der fusiforme Gyrus und der vordere temporale Cortex, die zur »Was«-Bahn gehören, in beiden Hirnhälften aktiviert sind. Mithilfe von fMRT-Untersuchungen identifizierten zuerst Aina Puce und Gregory McCarthy von der Yale University sowie nach ihnen auch Nancy Kanwisher vom MIT eine Region im unteren Temporallappen, die auf die Gesichtserkennung spezialisiert ist. Diese Region – das fusiforme Gesichtsareal – wird aktiv, wenn eine normale Person ein Gesicht ansieht. Wenn dieselbe Person ein Haus ansieht, reagiert die Region nicht, wohl aber eine andere Hirnregion. Das fusiforme Gesichtsareal wird auch dann aktiv, wenn sich die Person ein Gesicht nur vorstellt. Tatsächlich konnte Kanwisher sagen, ob eine Person an ein Gesicht oder an ein Haus dachte, indem sie registrierte, welche Hirnregion aktiviert wurde.
    Um die Gesichtserkennung weiter zu erforschen, kombinierte Margaret Livingstone 2006 die Vorgehensweisen von Puce und Kanwisher mit denen von Charles Gross, indem sie sich sowohl auf fMRT-Untersuchungen als auch auf elektrische Aufzeichnungen von Aktivitäten einzelner Nervenzellen in Affengehirnen stützte. Livingstone, eine Studentin von Hubel und geistige Enkelin Stephen Kufflers, war ihrerseits die Dozentin von Doris Tsao und Winrich Freiwald, mit denen sie zusammenarbeitete. Gemeinsam verschafften uns diese drei Wissenschaftler neue Erkenntnisse über die Gesichtswahrnehmung im fusiformen Gesichtsareal und darüber hinaus. Mit fMRT entdeckten sie, welche Areale des unteren Temporallappens aktiviert werden, wenn ein Affe ein Gesicht ansieht, und nutzten elektrische Aufzeichnungen, um zu bestimmen, wie die Nervenzellen in diesen Arealen auf ein Gesicht reagieren.
    Auf diese Weise lokalisierten sie sechs Regionen im unteren Temporallappen des Affen, die nur auf Gesichter ansprechen (Abb. 17-5). Diese Areale nannten sie »Gesichts-Flecken« (face patches) . Die Gesichts-Flecken sind klein, etwa drei Millimeter im Durchmesser, und liegen an einer Achse, die sich vom hinteren bis zum vorderen Teil des unteren Temporallappens erstreckt, was nahelegt, dass sie vielleicht hierarchisch angeordnet sind. Es gibt einen hinteren Flecken, zwei mittlere und drei vordere. Tsao und Freiwald setzten Elektroden auf jeden der sechs Bereiche, um Signale von einzelnen Nervenzellen aufzuzeichnen. Sie stellten fest, dass die Zellen in den Gesichts-Flecken auf das Verarbeiten von Gesichtern spezialisiert sind; zudem reagieren verblüffende 97 Prozent der Zellen in den beiden mittleren Flecken nur auf Gesichter. Diese Resultate bestätigten Kanwishers bildgebende Untersuchungen des fusiformen Gesichtsareals im menschlichen Gehirn und lassen vermuten, dass sich Primatengehirne zur Verarbeitung von Informationen über Gesichter allgemein auf spezialisierte Areale stützen.
    Damit gaben sich Tsao und Freiwald aber nicht zufrieden. Als Nächstes untersuchten sie die Verbindungen zwischen den sechs Flecken, indem sie alle sechs gleichzeitig mit bildgebenden Verfahren darstellten, aber immer nur einen von ihnen elektrisch stimulierten. Sie stellten fest, dass die Aktivierung eines der mittleren Gesichts-Flecken die Aktivierung der Nervenzellen in den anderen fünf Flecken zur Folge hatte. Das bedeutet, dass alle Gesichtserkennungsregionen im Temporallappen miteinander verknüpft sind – sie scheinen ein Netzwerk zu bilden, das Informationen über verschiedene Aspekte des betrachteten Gesichts verarbeitet. Das gesamte Netzwerk der Gesichts-Flecken ist offenkundig ein System, das sich der Analyse einer ganz bestimmten Objektkategorie der oberen Ebene widmet: Gesichtern.
    Dann fragten Freiwald und Tsao: Welcher

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