Das Zeitalter der Fuenf 01 Priester
sie ihm für seine Hilfe dankte und ihm erklärte, dass er nicht länger gebraucht werde.
Trotz der Bemühungen des Heilerpriesters war Aurayas Mutter immer kränker geworden. Zur gleichen Zeit hatte Auraya im Zuge ihrer Studien erfahren, dass Heilerpriestern nicht einmal die Hälfte der Fähigkeiten und des Wissens zur Verfügung stand, über die die Traumweber verfügten. Indem sie veranlasst hatte, dass Leiards Behandlung durch die eines Heilerpriesters ersetzt worden war, hatte sie ihre Mutter, wie ihr damals bewusst wurde, zu einem früheren und schmerzhafteren Tod verurteilt.
Außerdem hatte ihre Zeit in Jarime ihr klargemacht, wie tief die Verachtung und das Misstrauen der Zirkler für die Traumweber wirklich reichten. Sie hatte ihren Lehrern und den anderen Priestern vorsichtige Fragen gestellt und war schon bald zu einer klaren Erkenntnis gekommen: Sie konnte unmöglich offen dafür sorgen, dass Leiard oder ein anderer Traumweber ihre Mutter wieder behandelte. Sie wäre auf den Widerstand ihres Vorgesetzten gestoßen, hätte sie es dennoch getan, und außerdem hatte es nicht in ihrer Macht gestanden, dem Heilerpriester seine Rückkehr nach Hause zu befehlen. Also hatte sie die notwendigen Vorkehrungen in aller Heimlichkeit treffen müssen.
In einem Brief an ihren Vater hatte sie den Vorschlag gemacht, dass ihre Mutter ihre Beschwerden übertreiben solle, um ihre Umgebung davon zu überzeugen, dass sie dem Tode nahe war. In der Zwischenzeit war ihr Vater in den Wald gegangen, um Leiard zu fragen, ob er seine frühere Behandlung wieder aufnehmen könne. Der Traumweber hatte zugestimmt. Als Auraya die Nachricht erhalten hatte, dass ihre Mutter im Sterben liege, hatte sie dem Heilerpriester vorgeschlagen, nach Jarime zurückzukehren. Er hatte alles getan, was in seinen Kräften stand.
Durch Leiards Behandlung war ihre Mutter tatsächlich, wie Auraya es gehofft hatte, wieder zu Kräften gekommen. Ihre Mutter hatte ihre wundersame Genesung heruntergespielt, war im Haus geblieben und hatte nur wenige Besucher empfangen - was ohnehin ihren Neigungen entsprach.
Ich war mir so sicher, dass mein damaliges Verhalten gegen meine Erwählung sprechen würde. Obwohl ich mir so sehr gewünscht habe, eine Weiße zu sein, konnte ich mir nicht einreden, dass die Traumweber schlecht seien oder ich ein Unrecht begangen hätte. Das Gesetz, das uns verbietet, die Dienste eines Traumwebers in Anspruch zu nehmen, ist lächerlich. Die Pflanzen und die anderen Heilmittel, die Leiard verwendet, sind nicht deshalb gut oder schlecht, weil ein Heide oder ein Gläubiger sie benutzt. Ich habe nichts erlebt, was mich davon überzeugen könnte, dass Traumweber im Allgemeinen Hass oder Misstrauen verdienen.
Und dennoch haben die Götter mich auserwählt. Was soll ich davon halten? Bedeutet das, dass sie jetzt bereit sind, die Traumweber zu dulden? Hoffnung stieg in ihr auf. Wollen sie, dass von nun an auch die Zirkler die Traumweber akzeptieren? Ist es meine Aufgabe, das zu bewerkstelligen?
Das Gefühl verebbte, und sie schüttelte den Kopf. Warum sollten sie das tun? Warum sollten sie Menschen tolerieren, die ihnen nicht Gefolgschaft leisten und andere ebenfalls davon abhalten wollen? Viel wahrscheinlicher ist es, dass man mir aufträgt, meine Neigung zu den Traumwebern für mich zu behalten und meine Arbeit zu tun.
Warum bekümmerte sie das? Warum fühlte sie sich den Mitgliedern eines Kults verbunden, dem sie nicht angehörte? Lag es nur daran, dass sie noch immer das Gefühl hatte, Leiard für all das Dank zu schulden, was er sie gelehrt hatte, und für seine Hilfe, was ihre Mutter betraf? Wenn das so war, ergab es durchaus einen Sinn, dass sie sich um sein Wohlergehen sorgte. Unverständlich blieb indes die Tatsache, dass sie sich um Traumweber sorgte, denen sie nie begegnet war.
Es ist der Gedanke an all das Heilerwissen, das verloren gehen würde, wenn die Traumweber zu existieren aufhörten, sagte sie sich. Ich habe Leiard seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Wenn ich mich um ihn sorge, liegt es wahrscheinlich nur daran, dass das Leben meiner Mutter von ihm abhängt.
Sie nahm sämtliche Briefe aus dem Geheimfach und legte sie in eine silberne Schale. Dann hielt sie einen davon in die Höhe, zog Magie in sich hinein und sandte sie als kleinen Funken wieder aus. Eine Flamme erwachte zischend zum Leben und fraß sich durch das Pergament. Als das Feuer beinahe ihre Finger erreichte, ließ sie den Brief wieder in die Schale fallen
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