Das Zeitalter der Fuenf 01 Priester
und griff nach dem nächsten.
Einer nach dem anderen verbrannten die Briefe. Während sie damit beschäftigt war, fragte Auraya sich, ob die Götter sie wohl beobachteten. Ich habe veranlasst, dass ein Traumweber meine Mutter behandelt. Dieses Arrangement werde ich nicht aus freien Stücken lösen. Ebenso wenig werde ich es öffentlich bekannt machen. Wenn die Götter es missbilligen, werden sie es mich wissen lassen.
Nachdem sie die letzte brennende Ecke des Pergaments in die Schale hatte fallen lassen, trat sie zurück und beobachtete, wie der Brief zu Asche wurde. Sie fühlte sich besser. Mit diesem Gefühl, das sie nicht loslassen mochte, kehrte sie in ihr Schlafzimmer zurück und legte sich nieder.
Jetzt werde ich vielleicht endlich ein wenig Schlaf finden können.
Die Klippen von Toren waren hoch, schwarz und gefährlich. Bei Stürmen warf sich das Meer gegen die Felswand, als wolle es sie zerschmettern. Selbst in stillen Nächten schien das Wasser die Existenz der natürlichen Barriere zu missbilligen und schäumte, wo immer es auf Felsen traf. Aber falls dieser Krieg zwischen Land und Wasser zu einem Sieg führte, geschah dies zu langsam, als dass sterbliche Augen den Gewinner hätten erahnen können.
In ferner Vergangenheit waren viele Boote dieser Schlacht zum Opfer gefallen. Die schwarzen Klippen waren in den meisten Nächten schwer zu erkennen und stellten eine verborgene Gefahr dar, wann immer der Mond hinter Wolken verschwand. Als vor mehr als tausend Jahren der Leuchtturm erbaut worden war, hatte die Zerstörung von Schiffen ein Ende gefunden.
Aus demselben Felsen geschaffen wie das Kliff, auf dem der Turm stand, trotzten die steinernen Mauern des Leuchtturms Zeit und Wetter. Das hölzerne Innere dagegen war schon vor langer Zeit Fäulnis und Vernachlässigung zum Opfer gefallen, und nur eine schmale, steinerne Treppe wand sich an der Innenseite der Mauer empor. In der Spitze des Turms lag ein Raum, dessen Boden aus einer riesigen, runden Steinscheibe bestand, durch die ein Loch gemeißelt worden war. Die Mauern, die auf dieser Scheibe ruhten, hatten schlimmen Schaden genommen; nur die Bogen waren noch geblieben. Das Dach war vor Jahren eingestürzt.
Früher einmal hatte sich in der Mitte des Raums eine schwebende Lichtkugel befunden, die so hell leuchtete, dass sie jeden blendete, der töricht genug war, sie länger als einige wenige Augenblicke anzusehen. Zauberer hatten diese Lichtkugel am Leben erhalten und jahrelang für die Sicherheit auf dem Meer gesorgt.
Emerahl, weise Frau und Zauberin, war heutzutage die einzige menschliche Besucherin, die in diesen Raum kam. Als sie vor Jahren den Schutt beiseitegeschafft hatte, der sich im Lauf der Zeiten in dem Turm angesammelt hatte, war darunter eine der Masken zum Vorschein gekommen, wie sie die Zauberer früherer Jahrhunderte getragen hatten. In den Augenlöchern steckten dunkle Edelsteine zur Filterung des grellen Lichts, das sie mit ihrer Magie genährt hatten.
Jetzt stand der Leuchtturm ungenutzt und verfallen da, und die Schiffe mussten ohne seine Hilfe an den schwarzen Klippen vorbeikommen. Als Emerahl nun den höchstgelegenen Raum erreichte, hielt sie inne, um Atem zu schöpfen. Sie legte eine runzelige Hand auf die Säule eines Bogens und schaute aufs Meer hinaus. Winzige Lichtflecken zogen ihren Blick auf sich. Die Schiffe warteten noch immer auf Tageslicht, bevor sie die Passage zwischen den Klippen und den Inseln durchfuhren.
Wissen sie von der Existenz dieses Turms?, fragte sich Emerahl. Erzählen die Menschen sich noch immer Geschichten von dem Licht, das hier brannte? Sie schnaubte leise. Wenn sie es tun, bezweifle ich, dass sie wissen, dass ein Zauberer den Turm auf Geheiß von Tempre, dem Feuergott, erbaut hat. Wahrscheinlich erinnern sie sich nicht einmal an Tempres Namen. Sein Tod liegt erst wenige Jahrhunderte zurück, aber für Sterbliche ist das reichlich Zeit, um zu vergessen, wie das Leben vor dem Krieg der Götter gewesen ist.
Kannte heutzutage überhaupt noch jemand die Namen der toten Götter? Gab es Gelehrte, die das Thema studierten? Vielleicht in den Städten. Gewöhnliche Männer und Frauen, die sich mühten, das Beste aus ihrem kurzen Leben zu machen, scherten sich nicht um dergleichen Dinge.
Emerahl blickte hinab auf die Ansammlung von Häusern weiter unten am Ufer. Plötzlich erregte eine Bewegung in unmittelbarer Nähe des Leuchtturms ihre Aufmerksamkeit. Sie stieß ein leises, unwilliges Stöhnen aus.
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