Das Zeitalter der Fuenf 02 Magier
…
»Ich verfüge über keinerlei Befähigung«, erklärte sie. »Und ich bin erst zweiundzwanzig.«
»Du bist intelligent, und mir gefällt die Art, wie du denkst. Du kannst das Protokoll wahren und andere Sprachen sprechen. Du wirst deine Aufgabe gut machen. Ein Hindernis gilt es jedoch zu überwinden. Es muss so aussehen, als hättest du dir die Position verdient. Nur wenige Menschen haben miterlebt, welche Rolle du für das Entkommen der Armee aus den Minen gespielt hast, und kaum jemand weiß, wie viel wir dir verdanken. Jene, die während des Krieges hiergeblieben sind, sind der Meinung, dass deine Tat es nicht rechtfertigt, eine Regel zu ändern, die seit so langer Zeit besteht, dass sie beinahe ein Gesetz ist.«
Obwohl ihr Herz hämmerte und sie sich so fühlte, als seien ihr alle inneren Organe in die Füße gerutscht, brachte Reivan ein Nicken zustande. »Götterdiener müssen über magische Fähigkeiten verfügen.«
»Lass dich nicht entmutigen. Unter uns Götterdienern finden sich mehr, die bereit sind, dir eine Chance zu geben, als solche, die dagegen sind, und das liegt nicht nur daran, dass ich es so wünsche. Sie werden keinen Protest erheben, wenn ich dich zu den Ritualen mitnehme und deinen Rat suche, geradeso wie ich es mit einem Gefährten tun würde, aber wenn ich es so bald schon offiziell verkünden würde...« Sie schüttelte den Kopf. »Es wird möglicherweise noch viele Monate dauern, bis ich das tun kann. Du bist vollauf in der Lage, sie davon zu überzeugen, dass du der Aufgabe würdig bist, aber wie stehst du zu dieser Herausforderung?«
Reivan nickte langsam. »Wenn ich den Göttern gut dienen will, sollte ich mich besser in eine Position bringen, in der meine Fähigkeiten von Nutzen sein können.«
Imenja lächelte. »Eine gute Antwort. Ah. Pünktlich auf die Minute. Da kommt Shar.«
Als die Fünfte Stimme auf den Balkon trat, setzte Reivans Herz einen Schlag aus. Er mochte diejenige unter den Stimmen sein, die am wenigsten Macht besaß, aber er war mit Abstand der schönste Mann unter den Stimmen. Seine Haut war ungewöhnlich blass, und langes, von der Sonne gebleichtes Haar ergoss sich über seinen Rücken. Der Blick seiner smaragdgrünen Augen fiel zuerst auf Imenja, dann auf sie.
»Meine Damen«, sagte er und verneigte sich.
»Hast du etwas dagegen, wenn Reivan hierbleibt, um mich zu beraten?«, fragte Imenja ihn.
»Ganz und gar nicht.« Er lächelte und verneigte sich abermals. Reivan spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss.
»Ich danke dir, Heiliger«, sagte sie, doch ihre Worte klangen leiser, als sie es beabsichtigt hatte.
»Sind wir die Letzten?«, fragte eine Frau, die Reivan noch nicht erkennen konnte.
Im nächsten Moment traten die beiden anderen Stimmen auf den Balkon heraus. Genza war so dunkel wie die Vögel, die sie züchtete, und hatte auch die gleichen scharfen Gesichtszüge. Vervel dagegen war untersetzt und schien etwa zwanzig Jahre älter zu sein als sie. Beide waren während ihrer sterblichen Jahre Dienerkrieger gewesen, obwohl sie über mächtige Fähigkeiten verfügten.
»Ich fürchte, so ist es«, antwortete Shar.
Genza sah Reivan an und nickte. »Willkommen im Sanktuarium, Reivan Riedschneider.«
Reivans Gesicht fühlte sich jetzt noch wärmer an. Sie murmelte einige Worte des Danks, dann traten zwei Götterdiener ein. Sie erkannte die Gefährten von Genza und Vervel. Die beiden nickten ihr respektvoll zu, und sie erwiderte die Geste.
Als die Neuankömmlinge Platz genommen hatten, löste sich Reivans Selbstbewusstsein schnell auf. In der Gesellschaft sämtlicher Stimmen und ihrer mächtigen Gefährten kam sie sich unwichtig und ein wenig jämmerlich vor. Sie beschloss, so wenig wie möglich zu sagen und sich auf das Zuhören zu konzentrieren. Als wollten sie ihr in diesem Punkt entgegenkommen, begannen die Stimmen ein Gespräch über die Ergebenen Götterdiener, die für eine Wahl zur Ersten Stimme in Frage kamen.
Zu ihrer Überraschung erörterten sie die Vorzüge und Mängel eines jeden Einzelnen mit einer Begeisterung, die beinahe erschreckend war. Kein Aspekt des Charakters der fraglichen Kandidaten blieb ihrer kompromisslosen Analyse verborgen. Sie begriff schnell, warum das wichtig für sie war. Wen auch immer sie wählten, der Betreffende würde ihr Anführer sein. Sie würden vielleicht für Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende mit dieser Person zusammenarbeiten.
Ich wüsste gern, warum Imenja nicht in den Rang der Ersten
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