Das Zeitalter der Fuenf 03 Goetter
Felsbrocken springst, würdest du dich schneller bewegen. Du würdest nur für kurze Zeit fallen, daher müsstest du dich konzentrieren.«
»Ich werde es versuchen.«
Sie gingen zum Fluss hinüber. Emerahl wählte einen Felsbrocken in Schulterhöhe aus und stieg hinauf. Von oben betrachtet erschien er ihr höher als vom Boden aus.
Auraya trat zurück, um Emerahl reichlich Raum zu geben.
»Konzentrier dich«, sagte sie.
Emerahl holte tief Luft und zwang sich, zu Boden zu springen. Beim Aufprall verlor sie das Gleichgewicht und taumelte. Auraya hielt sie an den Schultern fest.
»Hast du irgendetwas gespürt?«
Emerahl schüttelte den Kopf. »Ich hatte zu viel mit der Frage zu tun, wie hart der Boden wohl sein würde.«
»Versuch es noch einmal. Wenn du es oft genug tust, wirst du den Boden vielleicht vergessen.«
Du meinst, ich werde vergessen, Angst zu haben, dachte Emerahl. Sie stieg wieder hinauf und zwang sich abermals zu springen. Bevor Auraya eine Frage stellen konnte, drehte sie sich um und kletterte erneut auf den Felsbrocken.
Nach zwanzig Sprüngen brachte Emerahl eine anmutige Landung zustande. Es gelang ihr sogar, daran zu denken, sich während des Fallens auf »die Welt um sie herum« zu konzentrieren. Aber sie spürte immer noch nichts.
»Was geschieht als Nächstes?«, fragte sie, mehr um sich eine Ruhepause zu verschaffen, als weil sie wirklich bereit war, weiterzumachen.
Aurayas Augen leuchteten auf. »Du veränderst deine Position in Bezug zur Welt. Mit Hilfe von Magie.«
Emerahl starrte Auraya an; sie wusste, dass ihr Gesicht absolutes Unverständnis ausdrückte, aber es war ihr gleichgültig. In Aurayas Zügen zeichnete sich Enttäuschung ab.
»Die Klippe könnte die einzige Möglichkeit sein. Vielleicht musst du dich nur über einen gewissen Zeitraum hinweg sehr schnell bewegen, um dich …«
»Ich werde es weiter versuchen«, erwiderte Emerahl.
Eine Weile später hörte sie auf. Ihre Knie und Knöchel schmerzten. Ihr Körper sagte ihr, dass Stunden verstrichen waren, aber die Welt, die sie immer noch nicht zu spüren vermochte, hielt irgendwie die Illusion aufrecht, es sei noch früh am Morgen.
»Es funktioniert nicht«, murmelte sie vor sich hin. »Es muss einen anderen Weg geben.«
»Wenn wir einen steilen Hang fänden, könnten wir eine Rutschbahn für dich hineinkerben«, schlug Auraya vor. »Das wäre beinahe wie ein Sturz.«
Ein Sturz ? Emerahls Haut begann zu kribbeln, als ihr plötzlich eine Idee kam. Sie drehte sich um und betrachtete den Wasserfall. Der Teich darunter war tief. Als Kind war sie mit großer Begeisterung in den Ozean gesprungen …
»Es wird kalt sein«, warnte Auraya, die Emerahls Absicht erraten hatte.
»Wenn ich den Ozean im Winter aushalten kann, werde ich mit dieser kühlen kleinen Pfütze ebenfalls fertig«, erwiderte Emerahl.
Sie holte ein Seil aus der Höhle. Der Aufstieg zu den Felsen über dem Wasserfall war nicht einfach. In den Ritzen war in der feuchten Umgebung reichlich Moos gewachsen, so dass man sich nur mit Mühe festhalten konnte. Oben angekommen, band Emerahl das Seil an einen Baum, dann knotete sie Schlaufen hinein, um es wie eine Strickleiter benutzen zu können.
Sie ging zum Fluss hinüber und trat in das Wasser. Die Strömung zog an ihren Beinen, als wolle sie sie aus dem Gleichgewicht bringen. Am Rand des Wasserfalls war der Sog besonders beharrlich und gab sich alle Mühe, sie davon zu überzeugen, dass sie in keine andere Richtung gehen konnte als über den Rand.
Beim ersten Mal werde ich mich einfach darauf konzentrieren, den Sprung richtig hinzubekommen - ohne auf den Grund des Teichs zu schlagen und dabei das Bewusstsein zu verlieren.
Sie schloss die Augen und sandte ihren Geist zurück in eine Zeit, als sie jünger gewesen war - viel jünger - und da die eingebildeten Ungeheuer, die in den dunklen Ecken ihres Elternhauses lauerten, ihr mehr Angst gemacht hatten als die Vorstellung, sich von einer Klippe in den wilden Ozean zu stürzen.
Schließlich öffnete sie die Augen, beugte die Knie, ließ sich nach vorn fallen und sprang in die gischterfüllte Luft.
Der Teich schoss ihr entgegen und traf sie mit schockierender Kälte. Als das kühle Wasser sie umgab, wölbte sie instinktiv den Körper vor, um den Sprung zu verkürzen. Ihre Knie schlugen auf dem Grund des Teiches auf.
Dann schwamm sie zur Oberfläche empor. Ihre durchweichten Sandalen klebten an ihren Füßen, als sie zum Ufer watete. Sie zog Magie in sich
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