Das Zepter der Zeit (Carla, John und Franklyn) (German Edition)
Wenn es keine wilden Tiere sind, seid Ihr Lügner. Ihr seht nicht so aus, als könntet Ihr auf wilden Pferden reiten.«
Verflucht, was erzählen wir ihm jetzt? , schoss es John durch den Kopf. Egal, was wir ihm erzählen, es klingt sicher völlig unglaubwürdig.
Ihr Erfindergeist war also gefragt. Oder besser gesagt, der Geist der guten Geschichten. Ohne eine gute, glaubwürdige Geschichte würden sie sofort das Misstrauen der Dorfbewohner auf sich ziehen. Misstrauen ihnen gegenüber war jetzt das Letzte, was sie brauchen konnten.
»Wir haben uns scheinbar gnadenlos verlaufen«, begann Franklyn seine Lügengeschichte. »Wir waren auf der Suche.«
»Auf der Suche nach Gold vermutlich?«, fragte einer der Dorfbewohner aus der hinteren Reihe und musste laut lachen. »Wieder so ein paar Verrückte, die glauben, dass sie hier jede Menge Gold finden.« Erst jetzt bemerkten die vier, dass sich mittlerweile bestimmt fünfzehn Leute eingefunden hatten, deren Neugierde sie erfolgreich geweckt hatten.
»Nein, kein Gold. Wir haben Pferde gesucht«, erzählte Franklyn weiter. »Uns sind nämlich ein paar Pferde entlaufen.«
»So, so, und die Pferde sucht man zu Fuß?«, fragte ein anderer, der seine Worte bewusst so betonte, dass man direkt seinen Zweifel an der ihnen aufgetischten Lügengeschichte erkannte.
»Zuerst waren wir nicht zu Fuß unterwegs«, antwortete Carla sofort, um die Situation zu retten. »Doch unsere Pferde sind jetzt ebenfalls weg. Wir vermuten, dass wir bestohlen wurden, denn wir hatten sie ordnungsgemäß angebunden.«
»An was habt Ihr sie denn bitte schön angebunden?«
»Ähm, an einen Baum«, antwortete Carla unsicher. Jetzt bemerkte sie, dass das noch unglaubwürdiger klang, denn es befanden sich keine Bäume in der Gegend.
»An einen Baum also. Und der Baum ist Euch auch entlaufen?«, scherzte ein alter Mann. »Sieht hier irgendeiner einen Baum herumlaufen, der den jungen Leuten entlaufen sein könnte?«
Sofort begann ein mächtiges Gelächter, und die Männer schlugen sich gegenseitig vor Lachen auf die Schultern.
»Ein entlaufener Baum. Das ist ja herrlich! Und wie lautet die Wahrheit? Ich vermute, dass Ihr zum Stehlen in unser Dorf geschlichen seid. Ihr wolltet bestimmt unsere Pferde stehlen, damit Ihr Tiere zum Reiten habt. Leute, meine Empfehlung an Euch ist folgende: Seht zu, dass Ihr so schnell wie möglich von hier verschwindet. Denn wenn Euch der Sheriff in die Finger bekommt, könnt Ihr sicher sein, dass Ihr sofort ins Kittchen wandert. Aber dennoch vielen Dank für die herrliche Lügengeschichte. Sie war wirklich köstlich! Wir haben lange nicht mehr so viel gelacht.«
Was sollten sie nun tun? Sie hatten noch nicht einmal angefangen, ihre Version zu Ende zu spinnen, schon ernteten sie Spott und Schande. Scheinbar war es doch nicht so einfach, den Menschen in dieser Zeit etwas vorzumachen. Zudem bewahrheitete sich gerade ihre Befürchtung, dass die Menschen in dieser Epoche ihnen die Worte im Munde verdrehen konnten, nur um ihnen eine Straftat anzudichten.
»Sagt mal, wenn Ihr wirklich Pferde sucht, die Euch entlaufen sind, frage ich mich, wo Eure Lassos sind, mit denen Ihr die Tiere wieder einfangen wollt.«, fragte ein Mann mit einem dicken, schwarzen Schnäuzer.
»Das hängt noch am Pferd. Es ist mir aus der Hand geglitten, weil es sich gewehrt hat. Leute, das ist die Wahrheit, was sollten wir denn wohl sonst hier machen? Wir gehen doch bestimmt nicht ohne Pferde auf Diebstahltour. Wie sollten wir denn unser Diebesgut abtransportieren?«, fragte John und hoffte, damit die Glaubwürdigkeit wieder zurück zu erlangen.
»Da hat er Recht. Ohne Pferde ist das Stehlen sinnlos. Wenn sie zu Fuß durch die karge Landschaft zurück zum nächsten Dorf gehen wollten, würden sie sicher unterwegs verdursten. Sie würden niemals dort ankommen. Zu Pferd ist es schon unglaublich anstrengend. Jedoch zu Fuß ist es schlichtweg unmöglich. Ich glaube ihnen«, sagte der Mann, der Sally etwas zu trinken gegeben hatte.
»Endlich jemand, der uns gegenüber nicht so negativ eingestellt ist«, antwortete John. »Wir führen nichts Böses im Schilde. Wir möchten uns lediglich etwas ausruhen und ein wenig Wasser trinken. Das ist doch nichts Schlechtes. Ihr könnt uns auch gern durchsuchen, wir haben keine Werkzeuge dabei, mit denen wir einbrechen könnten.«
»Okay, nehmen wir an, wir glauben Euch. Etwas Wasser könnt Ihr gern haben. Kommt mit in den Saloon, ich werde euch etwas zu trinken
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