Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
neben zwei Jungs, die erzählten, dass sie seit Dienstagmorgen auf dem Edinburgher Flughafen campiert und auf einen Flug gewartet hatten. Sie rochen auch so. In Amsterdam hoffte Ben noch halb darauf, dass wenigstens sein Anschlussflieger nicht ging, aber er war dieser Tage wahrscheinlich der einzige Fluggast, der sein Ziel wie geplant erreichte. Am frühen Nachmittag befand er sich auf Schweizer Boden, hatte Schweizer Franken im Geldbeutel und ein Bahnticket nach Zug. Die Schweizer sprachen gut Englisch, und jedes Mal, wenn er mit jemandem ins Gespräch kam, beschwerte man sich über das Wetter, über die katastrophalen Straßenverhältnisse und die vielen Unfälle, die es gab, weil die Leute keine Winterreifen hatten.
Nach einer weiteren Stunde war er in Zug angekommen und froh, nicht mehr über Schnee reden zu müssen. Er fragte sich durch, wie er am besten zu der Adresse kam, zu der er wollte, und gegen halb vier saß er mit seinem Kontaktmann in einem Café mit Blick auf den Zuger See, ließ sich erklären, wie er zum Haus der Chandler-Lyttons kam und was ihn dort erwartete.
Ben hatte im vergangenen Jahr für Andrew Chandler-Lytton als Chauffeur gearbeitet. Es war ein Undercoverjob gewesen, Ben nah dran an einer Titelstory. Fiona, die Frau, die Ben liebte und deren Schicksal eng mit Chandler-Lyttons Vergangenheit verknüpft war, war der Grund gewesen, warum alles letztlich schiefgegangen und Chandler-Lytton aus dem Land geflohen war.
Ben hatte keine Ruhe gegeben, bis er den Mann wieder aufgespürt hatte. Er hatte Kontakte zu Journalisten überall auf der Welt, und dank mühsamer Kleinarbeit, unzähligen Mails und Telefonaten, ewigem Puzzlespiel und viel Glück fand er ihn. Ließ sich über jeden seiner Schritte informieren. Wusste deshalb ganz genau, wo er heute lebte. Was auf das kriminelle Konto dieses Mannes ging, interessierte ihn wenig, darüber konnte nach wie vor nur spekuliert werden. Aber was er Fiona und noch einigen anderen Menschen durch sein jahrzehntelanges Schweigen angetan hatte, das vergaß Ben ihm nicht.
Er wusste nun, dass das Leben der Chandler-Lyttons im Schweizer Kanton Zug sehr viel weniger aufwendig war als seinerzeit in Großbritannien. Andrew verzichtete auf einen Chauffeur und fuhr selbst mit dem Auto ins Büro. Seine Frau Shannon hatte wieder eine Praxis als Gynäkologin, über die sie, da war sich Ben sicher, weiterhin finanzkräftigen Paaren zu Wunschkindern verhalf, unter Umgehung der Schweizer Gesetzeslage. Andrew würde nach wie vor die entsprechenden Laboruntersuchungen koordinieren.
Der Kanton Zug war bekannt für die vielen Briefkastenfirmen. In Zug zahlte man sogar im Vergleich zum Rest der Schweiz wenig Steuern. Dafür war das Leben sehr teuer, wie Ben nicht nur an der Rechnung für den Kaffee feststellen musste.
Das Haus der Chandler-Lyttons lag etwas außerhalb der Stadt, unauffällig in einem neueren Siedlungsgebiet. Er hatte es seinem Kontakt nicht glauben wollen, aber es gab tatsächlich keine erkennbaren Sicherheitsvorkehrungen. Man konnte ganz normal das Grundstück betreten. An der Tür klingeln. Niemand öffnete.
Er ging zurück zur Straße und lief weiter in die Richtung, in der er Darneys Villa vermutete. Er erreichte sie schneller als gedacht. Offenbar hatte er die Entfernung von der Karte her überschätzt. Es war eine große Villa im Bauhaus-Stil. Hätte Ben nicht nach ihr gesucht, es wäre ihm an ihr nichts Außergewöhnliches aufgefallen. Erst auf den zweiten Blick entdeckte er die Kameras und Bewegungsmelder. Wenn das Haus schon zu Darneys Zeiten so unter Bewachung gestanden hatte – und davon war auszugehen –, dann hatte sich jemand sehr viel Mühe gegeben, um diesen Mord zu begehen. Langwierige und präzise Planung waren nötig gewesen.
Er fragte sich, wer nun in diesem Haus lebte. Ein dunkelgrauer Geländewagen stand vor der Garage, und in mindestens zwei Zimmern brannte Licht. Da er nicht auffallen wollte, hatte er nur einen kurzen Blick auf das Haus geworfen, ohne stehenzubleiben. Eine Kreuzung weiter begegnete ihm eine blonde schlanke Frau in seinem Alter, die einen silbergrauen Weimaraner ausführte.
»Wunderschöner Hund«, sagte er auf Englisch.
»Danke«, antwortete sie ebenfalls auf Englisch und tätschelte den Hund. »Nur der Schnee bringt ihn ein bisschen durcheinander.«
»Ist es ihm zu kalt?«
Sie zuckte die Schultern. »Wem nicht?«
»Das ist ein Langhaar, die sind selten, oder?«
Jetzt lachte sie. »Wollen Sie ihn mir
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