Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
stehen, und der Anwalt rannte ihn fast um. »Ich muss irgendwie herausfinden, ob sie wusste, mit wem sie verheiratet war. Ob sie bei seinen … Nebengeschäften vielleicht mitgemacht hat. Ob das ein Grund ist, warum sie sterben musste, genau wie er. Und ob jemand nun auch hinter mir her ist. Oder hinter William.«
»Hinter einem Kind?«
»Hören Sie, ich habe keine Ahnung, was gerade geschieht. Aber warum bringt jemand eine Frau um, die zurückgezogen auf einem einsamen Landsitz in Fife mit ihrem behinderten Sohn lebt und mit so gut wie niemandem spricht?«
»Wenn William hätte sterben sollen, wäre er längst tot. Er war auch im Haus.«
»Vielleicht wurde der Täter gestört.«
»Vielleicht sind Sie einfach nur auf der falschen Spur.« Es war mit Abstand das Unhöflichste, das je einer seiner Anwälte zu ihm gesagt hatte. Cedric deutete ein Lächeln an.
»Lillian hatte eine Schwäche für das kriminelle Milieu. Zählen Sie eins und eins zusammen.«
»Aber weder Sie noch Ihr Bruder wären davon betroffen.«
Jetzt lächelte Cedric richtig. »Und da können wir uns wirklich ganz sicher sein?« Er ließ den Anwalt stehen und ging die Treppe hinunter, nahm Mantel, Handschuhe, Schal, Autoschlüssel, verließ das Haus und ging zu seinem Wagen.
Island, dachte er. Knapp über dreihunderttausend Einwohner. Die Hauptstadt Reykjavík: hundertzwanzigtausend Einwohner. Warum wusste er solche Fakten, aber so gut wie nichts über seinen Vater?
Auszug aus Philippa Murrays Tagebuch
Samstag, 8. 5. 2004
Dana ist in Edinburgh. Sie stand heute Mittag einfach vor meiner Tür.
»Dad hat mich geschickt«, sagte sie zur Begrüßung, schob sich an mir vorbei und setzte sich in die Küche. »Und das ist das satte Künstlerparadies, für das du dein ödes Luxusleben hinter dir gelassen hast?«
Ich sah die Küche mit ihren Augen. Erinnerte mich daran, wie ich vor ein paar Monaten losgerannt war, um die Wohnung schöner zu gestalten, damit sich Sean wohl fühlte, wenn er zurückkam. Ich hatte entsetzlichen Spießerkram gekauft. Deckchen und Kisschen, Obstschalen und Vasen, Topflappen und Untersetzer, alles farblich aufeinander abgestimmt. Bei John Lewis hatte es im Schaufenster noch gut ausgesehen. In meinem Haus wirkte es, als hätten sich Bühnenbildner und Requisiteur nicht abgesprochen.
»Ich habe keine Zeit zum Einrichten«, sagte ich und hoffte, das Thema sei damit erledigt.
»Ist das Seans Geschmack?«, fragte sie.
»Ja«, log ich. Was sollte ich auch sonst sagen? Etwa: »Es ist überhaupt kein Geschmack, aber ich habe es gekauft, weil ich dachte, es könnte Sean gefallen. Vorher sah es nämlich nach etwas aus, das ich gerne spartanisches Chaos nenne«???
»Dann sei froh, dass du ihn los bist«, sagte Dana.
»Aber was machst du hier? Ich glaube keine Sekunde, dass Dad dich geschickt hat.«
»Sag mal, und diese Bruchbude hast du also gekauft?« Sie war aufgestanden und inspizierte alle Ecken, öffnete sogar die Schränke. Jetzt war sie auf dem Weg ins Wohnzimmer.
»Ja, ich fühle mich hier sehr wohl!« Ich lief ihr hinterher.
»Oh, diese Karten passen aber gar nicht zu dem geschmacksfreien Rest. Von wem sind die?« Sie nahm die Karten von Professor Michael McLean in die Hand und las sie durch. »Viel schreibt er ja nicht. Trotzdem, originell ist er. Seht ihr euch?«
»Ich bin ehrlich gesagt nicht in der Stimmung, ausgerechnet mit dir über mein Beziehungsleben zu diskutieren. Aber bevor du auf falsche Gedanken kommst: Ich arbeite für ihn, sonst nichts. Er schickt seinem ganzen Bekanntenkreis solche Karten.« Letzteres war frei erfunden. Solange es Dana schluckte, sollte es mir recht sein.
»Sei froh, dass du Sean los bist«, sagte sie wieder.
»Wegen was diesmal? Wegen der Lampenschirme? Oder stört dich die Tapete? Die war schon drin.«
»Sieht man.« Sie ließ sich auf das Sofa fallen. »Ich nehme mir ein Hotel, keine Sorge. Auf diesem Ding kann man ja kaum sitzen, geschweige denn schlafen.«
»Du hast nicht wirklich erwartet, dass ich dir anbiete, bei mir zu übernachten«, sagte ich kopfschüttelnd.
»Ich wohne im Scotsman. Ist nicht weit von hier, glaube ich. Drei Minuten mit dem Taxi, oder was meinst du?«
» Ich meine, dass normale Leute diese Strecke zu Fuß gehen.«
»Ganz genau. Ich hab mir schon Nummern für Taxizentralen notiert. Am Flughafen.« Sie schloss die Augen und strich mit einer Hand über eines der Sofakissen.
»Was machst du hier, Dana?«
Sie öffnete die Augen, sah mich aber nicht
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