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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
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auch nur einmal umzusehen, ging er eilig die Lange Gasse in Richtung Dom hinauf.
    Einen Lidschlag lang stutzte der Falke und fragte sich, wohin der Mann wollte, dann zuckte er mit den Schultern, glitt aus dem Schatten heraus und folgte ihm. So oder so, die Stunden des Kalabriers waren gezählt.
     
    Magda ächzte und warf Garsende einen zornigen Blick über ihre Schulter zu.

    »Ich weiß, das war schmerzhaft«, sagte die Heilerin mitfühlend, während sie das Gewand über dem Gesäß der Bäuerin glatt zog. »Aber nun bist du das böse Geschwulst los, und in ein, zwei Tagen kannst du auch wieder sitzen.«
    »Wenn du mir überhaupt noch Fleisch zum Sitzen übrig gelassen hast«, presste Magda zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    Garsende dachte, dass da noch genügend Platz für ein halbes Dutzend Furunkel gewesen wäre. Laut sagte sie:
    »Ich habe eine Salbe aus altem Schmalz mit Calendula aufgetragen. Lass den Verband drei Tage lang aufgelegt. Doch wenn es in der Wunde anfängt zu klopfen, dann komm damit gleich zu mir.«
    Magda versprach zu tun, was immer die Heilerin sagte, und wenig später verabschiedete sie sich.
    Erleichtert schloss Garsende die Tür hinter der Bäuerin und schaute dann deprimiert auf die drei kleinen, braun gesprenkelten Hühnereier, die sie als Lohn von der Bäuerin bekommen hatte. Magda war das Weib eines der wenigen freien Bauern in der Umgebung, deren Hof noch nicht von einem der großen Lehnsherren vereinnahmt worden war. Sie hätte ohne weiteres das Doppelte geben können.
    Mit einem Kopfschütteln legte Garsende die Eier in eine Holzschale und trug sie hinüber zu ihrem Herdfeuer. Einer der unzähligen Kräuterstängel, die neben Zwiebelgirlanden, Wurzeln und ganzen Pflanzenbüscheln von der niedrigen Decke baumelten, verfing sich in ihrem Haar.
    »Heilige Jungfrau!«, zischte sie ärgerlich und schlug dann rasch ein Kreuz, weil die Worte in ihren eigenen Ohren geklungen hatten wie ein Fluch. Ich muss zufrieden sein, dachte sie, während sie den trockenen Stängel vorsichtig aus ihrem Zopf löste. Gerade auf die Fürsprache von Frauen wie Magda war sie angewiesen. Die Zeiten, in denen das Handwerk einer Heilerin noch hochgeschätzt wurde,
schienen vorbei zu sein. Die Kirche beanspruchte die Kunst des Heilens für sich, und Kräuterfrauen, die außerhalb des geheiligten Nimbus eines Ordens standen, gerieten immer mehr in den Geruch, dem Allmächtigen mit ketzerischer Zauberei ins Handwerk pfuschen zu wollen. Und weil Garsende überdies ohne den Schutz eines männlichen Verwandten oder Ehemanns lebte, war sie noch mehr als andere von einem guten Leumund abhängig.
    Ein kantiges Gesicht, Zorn, gepaart mit Sehnsucht in den dunklen Augen, schlich sich unversehens in Garsendes Gedanken. So hatte Lothar von Kalborn sie angesehen, als er zum letzten Mal bei ihr gewesen war.
    Ein Jahr war seither vergangen. Zeit genug, um sich diese unselige Neigung zu einem Mann aus dem Herzen zu reißen, der eine Frau wie sie niemals sein Weib würde nennen können. Jedenfalls hatte sie geglaubt, dass sie sich von diesen Empfindungen befreit hätte. Nach dem gestrigen Tag jedoch war sie sich dessen nicht mehr so sicher.
    Seit sie Lothar zum ersten Mal begegnet war, hatte Garsende stets geschwankt zwischen den Gefühlen, die er in ihr geweckt hatte, und ihrem Verstand, der ihr gebot, das, was sie besaß, nicht um einer Leidenschaft willen aufs Spiel zu setzen. Lothar von Kalborn war ein Mann von Stand mit einer einflussreichen Sippschaft im Rücken; sie hingegen war im falschen Bett geboren.
    Es war das einzig Richtige gewesen, ihm damals für immer die Tür zu weisen.
    Garsende seufzte. Jetzt hielt er sich wieder in der Stadt auf, nur einen Katzensprung von ihr entfernt. Und ihr Gleichmut schien dahin. Was hatte ihn nach Worms geführt? Seit wann war er hier? Hatte er den Mann, der nun tot in der Scheune des Burggrafen lag, gekannt, oder war er nur durch Zufall in den Streit auf dem Marktplatz geraten? Und würde er hierher …?

    »Nein!«, rief sie so laut, als könne sie nur durch ihre Stimme dem Wort auch Geltung verschaffen. »Ich bringe meine Seele seinetwegen nicht wieder in Bedrängnis.«
    Mit wütendem Eifer begann sie, die mit Blut und Eiter beschmutzten Tücher vom Tisch zu räumen und Schalen, Mörser und Stößel zu säubern, während ihre Gedanken zwischen ihrem einstigen Geliebten und dem Toten vor der Türschwelle des Burggrafen hin und her sprangen.
    Der Krug mit der

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