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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
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in den Kopf gesetzt, dass nur ein Gebet vor der Reliquie des heiligen Martin ihren zerrütteten
Zustand zu bessern vermochte, und war mit Matthäa zum Stift St. Martin aufgebrochen. Filiberta unterrichtete den Burggrafen bei seiner Rückkehr darüber, und ihre vorgeschobenen Lippen machten deutlich, was sie von derlei Firlefanz hielt. Zu Bandolfs Leidwesen vereitelte jedoch sein Hausmeier jeden Versuch, seine verspätete Mahlzeit in Ruhe einzunehmen. Aufgebracht beschwerte Werno sich über Herwald, den Marschalk des Burggrafen, der es gewagt hatte, seine, des Hausmeiers, Kompetenz in Zweifel zu ziehen, was die Einteilung der letzten Wintervorräte betraf.
    »Glaubt mir, Herr, es wäre nur gut, würdet Ihr dem Marschalk gegenüber ein Machtwort sprechen«, raunte der Hausmeier. Gewichtig presste er sein feistes Kinn gegen seinen Hals. »Sonst sehe ich den Frieden des Hauses ernsthaft gefährdet.«
    Verärgert starrte der Burggraf seinen Hausmeier an. »Wenn dir nicht daran gelegen ist, dass ich mein Machtwort gegen dich richte, dann hör auf, mich mit deinem ewigen Lamentieren zu belästigen, und schaff dich und deine Anschwärzerei aus meiner Halle«, empfahl er trocken.
    Nachdem Werno beleidigt abgezogen war, spülte Bandolf geistesabwesend seinen letzten Bissen mit einem Schluck verdünntem Wein hinunter. Dann sah er auf und bemerkte, dass sein junger Schreiber über beide Ohren grinste.
    »Hast du etwas dazu zu sagen?«, knurrte er.
    Prosperius, der die Gelegenheit genutzt und Filiberta ebenfalls noch eine Stärkung abgeschwatzt hatte, beeilte sich, seine Erheiterung hinter einem unschuldigen Augenaufschlag zu verstecken.
    Bandolf fasste seinen Schreiber scharf ins Auge. Obwohl Prosperius schon über ein Jahr in seinen Diensten stand und jede Mahlzeit bis zum letzten Krümel hinunterschlang, sah seine kleine schmale Gestalt noch immer so halb verhungert
aus wie an jenem Tag, an dem Bandolf ihn beim Beutelschneiden erwischt hatte. Hin und wieder hegte der Burggraf den Verdacht, sein junger Schreiber sei eine Abart der Natur und besäße zwei Mägen.
    »Hast du dich der Sache mit dem gestohlenen Gewand angenommen, wie ich dir aufgetragen habe?«, wollte Bandolf wissen.
    Kurz nachdem Pater Egidius Ulberts Leichnam in seine Kirche hatte schaffen lassen, war ein Tucher im Haus des Burggrafen aufgetaucht und hatte mit verlegenem Gesicht vermeldet, dass am Tag des Frühlingsfestes das beste Gewand seines Weibes abhandengekommen war. Er schien selbst nicht davon überzeugt gewesen zu sein, dass es sich tatsächlich um einen Diebstahl handelte, aber sein Weib hatte ihm offenbar so lange in den Ohren gelegen, bis er die Sache dem Burggrafen vorbrachte. Bandolf, den Kopf voll mit dem Mord an Ulbert, hatte die Klärung der Angelegenheit in die Hände seines jungen Schreibers gelegt.
    Prosperius schenkte seinem Herrn einen verschmitzten Blick. »Nun ja, Herr: Das Weib des Tuchers ist ein rechter Besen. Sie beschuldigte ihre Nachbarin, das Gewand gestohlen zu haben, was die Nachbarsfrau natürlich heftig abgestritten hat. Sie zeigte mir ihre Truhe und hieß mich empört, ihre Stube zu durchwühlen, während die Frau des Tuchers mit verkniffenem Gesicht dabeigestanden hat. Aber da war nur das eigene Kleid der Nachbarin. Anschlie ßend befahl mir das Tuchersweib, ihre Truhe zu durchsuchen, damit ich sähe, dass sie nicht log und das Gewand weg wäre.« Mit schiefgelegtem Kopf kratzte er sich an der Nase.
    »Merkwürdig ist es schon, dass das gute Stück nicht mehr auffindbar ist. Das Weib des Tuchers hatte es am Morgen zum Lüften über einen Pflock vor ihrem Haus gehängt, weil sie es zum Fest tragen wollte. Sie schwor Stein und
Bein, dass sie das Gewand nur einen Lidschlag lang aus den Augen gelassen hatte, und schon hing es nicht mehr an seinem Platz.«
    »Und in der Stube des Tuchers hast du auch nichts gefunden?«
    »Nein, Herr, da war nichts. Und ihr Alltagsgewand trug sie ja am Leib.«
    »Hat sich vor dem Haus des Tuchers an jenem Tag ein Fremder herumgetrieben?«
    Verlegen biss sich Prosperius auf die Lippen, und Bandolf seufzte. »Du hast nicht gefragt«, mutmaßte er.
    »Nein, Herr«, antwortete Prosperius kleinlaut.
    Bandolf brummte. »Dann hol das nach. Und anschlie ßend suchst du mir das Quartier eines Mannes, der sich Arnold von Clemante nennt. Frag im Rostigen Kübel, beim Wirt am Markt und beim Fischerwirt nach ihm. Wenn du ihn dort nicht findest, dann versuche es in den Gästequartieren der Stifte.«
    Das

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