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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
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schmale Gesicht seines Schreibers wurde lang. »Aber Herr, da muss ich ja die ganze Stadt längs und quer abklappern. Könnte das nicht auch der Kurze Thomas tun? Und was, wenn ich den Mann bis zum Abendbrot nicht finde?«
    »Dann suchst du weiter, bis du ihn findest«, erklärte Bandolf streng und unterdrückte ein Lächeln über Prosperius’ erschrocken vorgeschobene Unterlippe.
    »Die Burggräfin sieht es gar nicht gerne, wenn man am Tisch fehlt«, hörte er seinen Schreiber noch leise brummeln, als er die Halle verließ.
    Erst nachdem die Tür hinter Prosperius zugeschlagen war, bemerkte Bandolf Penelope, die würdevoll zu seinen Füßen saß und ihn unentwegt anstarrte. Suchend schaute sich der Burggraf auf dem Tisch um, doch von der Mahlzeit war nur noch ein Kanten dunklen Brots übrig geblieben. Erwartungsvoll schnupperte die Katze an dem Brocken, um
sein mageres Angebot dann mit deutlichem Missfallen abzulehnen.
    »Du bist so verfressen wie Prosperius und so anspruchsvoll wie der fette Bischof«, teilte der Burggraf Penelope mit, die sich davon nicht beeindruckt zeigte. Kurzerhand befahl er Filiberta, ihm nachzuschöpfen. Dass seine besondere Beziehung zu der Domkatze Erheiterung im Haushalt hervorrief, war ihm nicht verborgen geblieben, und so schob er noch ein paar Löffel mit Dinkel und Speck in seinen Mund, bis die Magd sich am Herdfeuer zu schaffen machte und er die Schüssel unbeobachtet unter dem Tisch verschwinden lassen konnte. Eine Weile sah Bandolf zu, wie die Katze die Schüssel mit pedantischer Sorgfalt zu säubern begann, doch dann kehrte er in Gedanken zu seinem dringlichsten Problem zurück.
    Was hatte er bis dato über Ulbert von Flonheim herausgefunden? Die Antwort, die sich ihm prompt aufdrängte, war entmutigend. Nichts hatte Bandolf herausgefunden. Zumindest nichts, was ihm Ulberts Mörder näher gebracht hätte.
    Ulbert war nach Worms gekommen, um ein Stück seines Landes zu veräußern. Auf seinem Weg in die Stadt war er über die kranke Beatrix gestolpert, die er nach Mariamünster gebracht hatte. Und damit hatte sich sein Interesse an dem kranken Weib offenbar auch schon erschöpft.
    Die Verhandlungen mit dem Stift liefen zäh, doch war das durchaus nichts Ungewöhnliches. Und wie es schien, hatte Ulbert die Zeit genutzt, um in der Stadt seinem Vergnügen nachzugehen, wie es die meisten jungen Männer seines Standes taten.
    An seinem Todestag war Ulbert dann mit einem Fremden in Streit geraten, und ein Edelmann, der sich einmischte, hatte ihn davor bewahrt, Prügel zu beziehen.
    »Ich muss mehr über diesen dunkelhäutigen Mann erfahren
und Lothar von Kalborn endlich zu fassen bekommen«, überlegte Bandolf. Der burgundische Edelmann, auf den er vor der Pfalz getroffen war, kam ihm wieder in den Sinn. Nachdenklich strich er über seinen Bart. Zugegeben, sein Argwohn gegen Raoul de Saint Rémy war vage und mochte nur im Auftreten des Mannes begründet sein, aber dass er just einen Tag vor dem Mord an Ulbert in Worms eingetroffen war, schien ihm allzu passend, um für einen Zufall zu gelten. Er sollte Bruder Goswin oder auch den Vogt des Bischofs nach dem Burgunder ausforschen. Womöglich gab es doch eine Verbindung zwischen Raoul und Ulbert, die im Moment noch im Verborgenen lag?
    Allmählich kehrten Bandolfs Gedanken zu Ulberts Todestag zurück.
    Nach dem Streit auf dem Marktplatz war der junge Edelmann noch einmal in seinem Quartier gewesen. Dann hatte er seinen Vetter im Domstift besucht und war anschlie ßend mit seinen Kumpanen beim Wirt am Markt zusammengetroffen.
    Wieso suchte Ulbert seinen Vetter auf, wo er doch mit Eberold und Winand verabredet gewesen war?
    »Verdammnis!«, knurrte Bandolf halblaut, als ihm wieder einfiel, dass Bruder Bartholomäus just nicht in der Stadt war und er ihn nicht danach fragen konnte. Wieso legst du mir solche Steine in den Weg?, haderte er mit seinem Schöpfer, um dann hastig ein Kreuz zu schlagen und ihm zu versichern, dass es nicht so gemeint war.
    Penelope hatte ihre Mahlzeit beendet und war auf die Bank neben ihren Gönner gesprungen. Nachdem sie sich mit derselben Sorgfalt geputzt, wie sie die Schüssel ausgeschleckt hatte, lag sie nun an Bandolfs kräftigen Schenkel geschmiegt. Sie schnurrte vor Wohlbehagen. Unwillkürlich streckte der Burggraf seine Hand aus, um über ihr Fell zu streichen, und kehrte zu seinen Überlegungen zurück.

    Was hatte Ulbert noch an diesem Tag getan, der sein letzter auf Erden war?
    Augenscheinlich unbeschwert

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