Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
Vom Netzwerk:
ungezwungene Plauderei mit Matthäa. Im Gegensatz zu anderen Frauen ihres Standes war die Burggräfin ohne jeden Eigendünkel, und Garsende schätzte sich glücklich, ihr Vertrauen gewonnen zu haben.
    Natürlich war ihr nicht entgangen, wie erschöpft Matthäa an jenem Morgen gewirkt hatte, doch war das angesichts der Umstände auch nicht verwunderlich gewesen.
    Als der Burggraf nun zögerlich berichtete, sein Weib scheine sich in letzter Zeit nicht ganz auf der Höhe zu fühlen, ihr mangele es wohl an Schlaf, runzelte sie beunruhigt die Stirn.
    »Sobald Eltrudis herausgefunden hat, dass die Mutter Oberin von Mariamünster nicht zur nachgiebigen Art von Äbtissin zählt, wird es meiner Gattin besser gehen«, fügte er bissig hinzu.
    »Was meint Ihr damit?«, fragte sie, doch Bandolf blieb ihr die Antwort schuldig.
    Vor ihnen, wo die Wollgasse die Zwerchgasse kreuzte, hatten sich zwei Karren ineinander verkeilt und blockierten jegliches Durchkommen, während die beiden Fuhrknechte lautstark die Schuldfrage verhandelten. Lachende Kinder, fluchende Passanten und solche, die Witze rissen, begleiteten ihr Geschrei, und als die beiden Knechte geneigt schienen, sich an die Gurgel zu gehen, ließ der Burggraf ein donnerndes »Auseinander! Aber plötzlich!« vernehmen.
    Betreten hielten die beiden Zankhähne inne. Die gaffende Menge machte Platz, um den Burggrafen durchzulassen,
und während er den Schaden begutachtete, trat Garsende in einen schmalen Durchlass zwischen zwei Häusern, um nicht im Weg zu stehen. Eine schwarze Kutte schob sich vor ihr Blickfeld. Ihr Träger blieb vor dem Durchlass stehen. Auf den Zehenspitzen balancierend, reckte Garsende den Kopf, um zwischen der Holzwand des Hauses und der Robe hindurchzuspähen.
    Eine Weile verfolgte sie, wie die beiden Knechte sich unter Bandolfs gebellten Befehlen abmühten, die verkeilten Karren auseinanderzuhieven, dann erregte eine junge Frau auf der gegenüberliegenden Straßenseite ihre Aufmerksamkeit. Ihr blaues Gewand war schlicht, aber es passte zu der Farbe ihrer Augen. Ein Schleier umrahmte ihre Züge und ließ die Pracht ihres glänzenden dunklen Haars nur erahnen.
    Es war jedoch nicht das Äußere der zweifellos schönen jungen Frau, das Garsendes Neugier erweckte, sondern die Art, wie sie den Kopf reckte, als würde sie jemanden suchen, um dann blitzschnell ihre Magd am Ärmel zu packen und mit sich in eine Nische zu ziehen. Wie die Heilerin stellte sie sich auf die Zehenspitzen, um das Geschehen auf der Gasse zu beobachten. Was die junge Frau sah, schien sie nicht zufriedenzustellen. Eine Weile behielt sie die Bemühungen der Knechte und des Burggrafen, die beiden Fuhrwerke aus dem Weg zu schaffen, mit offenkundiger Verärgerung im Auge. Dann glitt mit einem Mal ein kühles Lächeln über ihr Gesicht. Rasch sprach sie ein paar Worte mit ihrer Magd, der zu missfallen schien, was die Herrin ihr auftrug. Doch schließlich nickte die Hörige. Sie trat auf die Gasse hinaus und hob kurz die Hand wie zum Gruß, bevor sie aus Garsendes Blickfeld verschwand. Gleich darauf verließ auch die junge Frau, den Schleier tief über ihr Gesicht gezogen, die Nische.
    Mittlerweile war es den Knechten gelungen, die beiden Fuhrwerke zu trennen. Kurze Zeit später holperten die Karren
in entgegengesetzter Richtung davon, und die Gaffer schickten sich an, ihres Wegs zu gehen.
    Auch Garsende hätte den Durchlass gerne verlassen, doch der Kuttenträger versperrte ihr noch immer den Weg und stand wie festgewachsen. Sie überlegte, ob sie sich nicht einfach an ihm vorbeidrängen sollte, ließ es dann aber sein und hoffte, er würde nicht das Osterfest hier abwarten wollen.
    Zwischen der Wand und seiner Kutte hindurchspähend, sah sie den Burggrafen mit einem der Passanten sprechen, der sich offenbar über den schlechten Zustand der Gassen beschwerte. Hinter dem Burggrafen bemerkte Garsende die Magd der jungen Frau. Ihre Herrin hingegen schritt mit abgewandtem Gesicht auf ihn zu, scheinbar ohne ihn zu sehen. Verblüfft beobachtete Garsende, wie der Burggraf plötzlich nach vorne stolperte, als das schöne Weib ihn fast erreicht hatte. Unsanft stießen sie aufeinander. Sie strauchelte und japste nach Luft, doch er packte sie geistesgegenwärtig am Arm, und nur ihr Schleier sank zu Boden.
    Garsende runzelte die Stirn. Wäre es nicht so abwegig erschienen, hätte sie geglaubt, dass die junge Frau absichtlich mit dem Burggrafen zusammengestoßen war.
    »Großer Gott!«, stieß Bandolf

Weitere Kostenlose Bücher