Das zerbrochene Siegel - Roman
Burggrafen auf sich aufmerksam zu machen. Doch zu welchem Zweck? War ihr daran gelegen, mit dem Burggrafen anzubandeln? Nicht nur um Matthäas willen wollte ihr dieser Gedanke nicht behagen. Mit wachsendem Unbehagen musterte sie den biegsamen Rücken der Fremden.
Als hätte sie die Augen der Heilerin auf sich gerichtet gespürt, warf die junge Frau einen kurzen Blick über ihre Schulter. Aber ihre Züge verrieten nicht, was sie dachte.
Der Burggraf räusperte sich.
»Ihr müsst mich für einen ungehobelten Klotz halten«, sagte er. »Nun begegnen wir uns bereits zum zweiten Mal, und ich habe mich noch nicht nach Eurem Namen erkundigt.«
»Es ist mein Versäumnis, Burggraf«, wehrte sie mit Anmut ab. »Da ich Euren Namen kenne, wäre es an mir gewesen, die Höflichkeit zu erwidern. Ich bin Serafina von Asti.«
Zu Garsendes Erheiterung räusperte sich der Burggraf erneut, als fiele es ihm schwer, die rechten Worte zu finden. »Einen schönen Namen hat man Euch da gegeben«, brummte er endlich.
Serafina wandte ihm lächelnd den Kopf zu und gab der Heilerin Gelegenheit, ihr ebenmäßiges Profil zu bewundern.
»Und was führt den Burggrafen von Worms so bald wieder nach Mariamünster?«, fragte sie.
»Ich will sehen, ob es nicht heute möglich ist, mit Beatrix von Teveno zu sprechen«, antwortete der Burggraf, offenkundig erleichtert, sich einem Gegenstand zuwenden zu können, bei dem er sich auf sicherem Boden fühlte.
»Äbtissin Margarete sagte mir, ihr Zustand habe sich nicht gebessert, als ich mich heute früh nach dem Befinden der armen Frau erkundigte. Ich fürchte, Ihr macht den Weg umsonst.«
»Wir werden sehen.«
»Warum ist Euch so daran gelegen, mit Beatrix von Teveno zu sprechen?«
Zu ihrer Überraschung hörte Garsende den Burggrafen antworten:
»Es scheint so, als hinge der Mord an Ulbert von Flonheim mit einem Dokument zusammen. Und das Stück Pergament, das Schwester Lukas mir gestern gab, ist offenbar ein Teil davon.«
Empört verzog Garsende die Lippen. Ihr befahl er, sich nicht in seine Belange einzumischen, und nun gab er munter einer Fremden Auskunft?
»Was könnte wohl ein Schriftstück beinhalten, dass es Anlass gibt, darum sogar zu töten?«, fragte Serafina.
Garsende runzelte die Stirn. Unwillkürlich beschleunigte sie ihren Schritt, um dem Gespräch besser folgen zu können.
»Ulbert brachte das Dokument seinem Vetter, bevor er starb. Doch der ist just mit einem Auftrag des Domstifts unterwegs. Daher scheint Beatrix im Augenblick die Einzige zu sein, die weiß, was in dem Schriftstück steht«, erklärte Bandolf. Flüchtig tätschelte er Serafinas Hand, die auf seinem Arm ruhte, und fügte hinzu: »Aber Ihr müsst Euch nicht beunruhigen. Mit dem Kloster hat mein Anliegen nicht das Geringste zu tun.«
Serafina sah zu ihm auf. »Wie lange wird es denn dauern,
bis Ulbert von Flonheims Vetter nach Worms zurückkehrt?«
Zu Garsendes Beruhigung schien der Burggraf nun doch aufzumerken. »Warum fragt Ihr?«
Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Wenn Bruder Bartholomäus nicht allzu lange abwesend sein wird, könntet Ihr auf seine Rückkehr warten und müsstet die arme Kranke im Hospiz nicht mit Fragen behelligen. Es scheint ihr wirklich sehr schlecht zu gehen.«
»Glaubt mir nur, ich würde Beatrix nicht belästigen, wenn ich nicht müsste. Doch Bartholomäus wird erst in zwei oder drei Tagen zurückerwartet, und so lange kann ich nicht warten.«
»Zwei oder drei Tage erscheinen mir nicht zu lange, um einem todkranken Weib Ungemach zu ersparen«, erwiderte Serafina so zögernd wie beharrlich. »Doch sicher habt Ihr einen guten Grund, so zu handeln?«
»Den habe ich in der Tat. Denn Beatrix’ Gatte …«, begann der Burggraf.
Irgendetwas, vielleicht der Tonfall von Serafinas Stimme, hatte Garsendes Argwohn erweckt. Ihr Stirnrunzeln vertiefte sich, und plötzlich hatte sie das Bedürfnis einzugreifen.
»Verzeiht, dass ich Euch unterbreche, Burggraf«, rief sie hastig, während sie sich den Kopf zerbrach, wie sie die Unterbrechung rechtfertigen sollte.
Bandolf war stehengeblieben und hatte sich zu ihr umgedreht, sodass auch Serafina gezwungen war, der Heilerin ihre Aufmerksamkeit zu schenken.
»Ich sehe doch, wie Ihr Euch beim Gehen plagt«, flunkerte Garsende und bemühte sich um ein mitfühlendes Lächeln. »Ihr seid schwerer verletzt, als Ihr zugeben mögt. Lasst mich Euch helfen. Ich habe eine Salbe bei mir, die verhindern wird, dass der Knöchel noch stärker
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