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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
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hervor. »Habt Ihr Euch wehgetan?«
    Sie schüttelte den Kopf, verzog aber schmerzerfüllt das Gesicht, als sie auftrat.
    Besorgt drängte sich Garsende nun doch an dem Mönch vorbei. Als sie seinen Ärmel berührte, fuhr er herum, und für einen Augenblick fiel ihr Blick auf sein junges Gesicht. Er starrte sie so entgeistert an, als sähe er sich dem Leibhaftigen gegenüber. Offenbar war ihm nicht bewusst gewesen, dass jemand hinter ihm gestanden hatte.
    »Verzeiht mir«, murmelte Garsende. Dann war sie an dem Mönch vorbei und nach wenigen Schritten am Ort des kleinen Unfalls.

    »Seid Ihr verletzt?«, fragte sie.
    Die junge Frau hob irritiert eine zarte Braue. Es dauerte nur einen Lidschlag lang, aber der kurze Blick auf die Heilerin schien ihr zu genügen, um Garsende der Gattung von Weib zuzuordnen, der man keine Beachtung schenken musste. An Bandolf gewandt, hauchte sie: »Es ist nichts. Nur ein unbedeutender Schmerz in meinem Knöchel.«
    Zu Garsendes Erstaunen wurde der Burggraf rot bis über die Ohren und starrte das hübsche Weib mit einem nachgerade hohlköpfigen Grinsen an.
    Sie erwiderte seine Würdigung ihrer Schönheit mit einem reizenden Lächeln. »Ich danke Euch, Burggraf. Ihr habt mich vor einem üblen Sturz bewahrt.«
    Bandolf murmelte etwas Unverständliches, dann schien er sich zu fangen und wies mit dem Kopf auf die Heilerin. »Garsende ist eine Heilkundige. Gewiss kann sie etwas für Euch tun.«
    Ohne die Heilerin auch nur eines Blickes zu würdigen, schüttelte die junge Frau den Kopf. »Das tut wirklich nicht not. Aber ich wäre dankbar um Euren starken Arm. Wenn Ihr so gütig sein wolltet, mich bis zum Kloster zu begleiten...?«
    Plötzlich kam Garsende die Begleiterin der jungen Frau in den Sinn, die gerade noch hinter dem Burggrafen gestanden hatte. Suchend sah sie sich um, konnte die Magd jedoch nirgends entdecken. Nachdenklich runzelte sie die Stirn, während sie den Burggrafen sagen hörte:
    »Natürlich. Stützt Euch nur auf mich.« Er räusperte sich mit deutlicher Verlegenheit, als die junge Frau zaghaft eine feingliedrige Hand auf seinen Arm legte. »Ich habe ohnedies denselben Weg. Und die Heilerin wird uns ebenfalls noch ein Stück begleiten, sodass sie gleich zur Stelle ist, falls sich der Schmerz in Eurem Knöchel verschlimmert.«
    Ärgerlich dachte Garsende, dass die Heilerin es zu schätzen
wüsste, wenn man nicht einfach über sie bestimmen würde, sondern sie gefragt hätte. Mit einem unterdrückten Seufzen schluckte sie ihren Unmut hinunter.
    Sorgsam darauf bedacht, keine allzu langen Schritte zu machen, setzte sich der Burggraf in Bewegung. Die Anwesenheit der Heilerin, die mit etwas Abstand folgte, schienen beide einträchtig vergessen zu haben, und während sie die Pfauenpforte passierten und an den ärmlichen Hütten der Vorstädter vorbeischlenderten, lauschte Garsende ihrem müßigen Geplauder. Offenbar waren sich der Burggraf und die junge Frau kürzlich im Kloster begegnet, und ihr Gespräch drehte sich zunächst um den üppigen Garten und die prachtvoll ausgestattete Kirche von Mariamünster. Dann wandte es sich dem beklagenswerten Zustand König Heinrichs zu.
    »Auf dem Marktplatz geht die Rede, er ringe mit dem Tod«, sagte die junge Frau. »Steht es tatsächlich so schlecht um Seine Hoheit?«
    »Bedauerlicherweise scheint es kein Gerücht zu sein, dass er mit hohem Fieber darniederliegt«, meinte der Burggraf.
    »Ein Fieber? Gütiger Himmel! Ich glaubte, er sei vom Pferd gestürzt.« Mit einem Mal klang ihre Stimme erregt. »Ist sonst noch jemand bei Hof an dem Fieber erkrankt?«
    Auch dem Burggrafen war die Veränderung nicht entgangen.
    »Habt Ihr denn Anverwandte bei Hof, um die Ihr Euch sorgen müsst?«
    »Ich …« Einen Moment lang schien sie um eine Antwort verlegen, doch dann lachte sie leise auf: »Nein, ich war noch nie bei Hof. Ich dachte nur eben, das Fieber könnte womöglich ansteckend sein.«
    Als der Pfad die Vorstadt verließ und in das kurze Waldstück mündete, das bereits zum Nonnenkloster gehörte, trat ein kurzes Schweigen ein. Äste und Zweige, die der
Sturm vor ein paar Tagen von den Bäumen gerissen hatte, machten ein Fortkommen mühsam.
    Garsende, die Muße hatte, die anmutigen Bewegungen zu betrachten, mit denen die junge Frau die Hindernisse bewältigte, fragte sich im Stillen, ob sie überhaupt je einen Schmerz in ihrem Knöchel verspürt hatte. Nachgerade erschien ihr der ganze Vorfall wie ein geschicktes Manöver der Fremden, den

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