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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
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Burggraf die Augen zusammen und strich über seinen Bart. »Wie sah der Mann aus, der sie angegriffen hat?«, erkundigte er sich nach einer Weile.
    »Annalinde konnte ihn nicht genau sehen.«
    »Sie muss doch wissen, wie der Mann ausgesehen hat«, beharrte Bandolf. »War er groß oder klein, dünn oder feist?«
    Ärgerlich erwiderte sie: »Herrje, Burggraf. Wenn mir jemand ein Messer an die Kehle setzte, wäre sein Äußeres auch meine allerletzte Sorge.«
    »Verdammnis«, wiederholte er.
    Filiberta trat an die Tafel, um sich zu erkundigen, ob der Burggraf sie noch brauche. Sie würde nämlich den Teufel tun und Hildruns Arbeit machen, während sich das faule Stück, Gott wusste wo, herumtriebe. Als Bandolf den Kopf schüttelte, verließ sie die Halle mit finsterer Miene, die nichts Gutes für die säumige Magd verhieß.
    Eine Weile war es totenstill im Raum.
    »Als ich die Witwe verließ, begegnete ich einem Mann, der die Treppe zu den Gästequartieren hinaufstürmte«, unterbrach Bandolf die Stille. »Er rempelte mich an, doch er hatte die Kapuze seines Umhangs tief in die Stirn gezogen, und ich konnte sein Gesicht nicht erkennen. Wenn ich mir alles recht zusammenreime, könnte das Arnold von Clemante gewesen sein. Auf dem Weg zu Ulberts Witwe.«
    Schweigend, um seine Gedankengänge nicht zu unterbrechen, beobachtete Garsende sein Gesicht, während sie darauf wartete, dass er weitersprach. Finster starrte er auf den
Grund seines Bechers, als ließen sich dort Antworten auf seine Fragen hervorzaubern. Ein dichter dunkler Bart, der trotz aller Sorgfalt, die er ihm angedeihen ließ, immer ein wenig struppig abstand, verlieh seinen Zügen etwas Grimmiges und verbarg ein energisches Kinn und empfindsame Lippen. Doch in seinen Augen spiegelte sich häufig seine Stimmung wider. Für einen Augenblick fragte sich Garsende, warum sie im Gesicht des Burggrafen zu lesen verstand, während ihr der Ausdruck in Lothars dunklen Augen oft ein Rätsel blieb. Waren es womöglich ihre eigenen Gefühle, die Nähe zu ihrem Liebsten, die ihr den Zugang zu seiner Seele verwehrten?
    Ein tiefes Seufzen entfuhr ihr. Der Burggraf sah auf.
    »Arnold von Clemante muss der Mörder von Ulbert gewesen sein,« sagte er. »Alles andere ergibt keinen Sinn.«
    Energisch rief sich Garsende zur Ordnung und verbannte Lothar aus ihren Gedanken.
    »Aus irgendeinem Grund hatte Beatrix auf ihrer Reise nach Speyer das vermaledeite Dokument bei sich«, überlegte der Burggraf laut. »Unterwegs wird sie krank und trifft nicht dort ein, wo sie hinwollte. Arnold, auf der Suche nach seinem Weib, hört von einer Fremden, die im Hospiz von Mariamünster liegt, reist nach Worms und erkennt seine Frau. Offenkundig ist das Schriftstück von großem Wert für ihn, denn das Erste, das er im Kloster macht, ist, den Beutel seiner Frau zu durchsuchen. Doch es befindet sich kein Schriftstück unter Beatrix’ Habseligkeiten. Arnold folgert ganz richtig, dass Ulbert es an sich nahm, als er Beatrix aufgelesen hat. Er hört von den Nonnen, dass Ulbert sich im Stift St. Andreas aufhält, eilt dorthin und erfährt von den Stiftsbrüdern, dass Ulbert in der Stadt unterwegs ist. Auf dem Marktplatz begegnen sich die beiden Männer. Doch Ulbert streitet ab, dass das Dokument in seinem Besitz ist, und durch von Kalborns Eingreifen gelingt es ihm, sich dünnezumachen.
Arnold, der ja nun weiß, wo Ulbert wohnt, lauert ihm auf, folgt ihm, und als Ulbert nach dem Frühjahrsfest in die Stadt zurückkehrt, sieht er den rechten Augenblick gekommen. Er sticht Ulbert nieder.«
    »Aber wenn er Ulbert des Schriftstücks wegen getötet hat, kann er doch nicht derjenige gewesen sein, der später Annalinde darum anging«, wandte Garsende ein. »Schwer verletzt, wie Ulbert war, wäre es doch ein Leichtes für Arnold gewesen, ihm das Dokument abzunehmen.«
    Langsam schüttelte der Burggraf den Kopf. »Aber Ulbert trug das Schriftstück nicht bei sich. Nachdem er sein Quartier verlassen hatte, lief er schnurstracks zu seinem Vetter zum Domstift. Bruder Goswin hat Ulbert dort nach der Sext gesehen. Ulbert muss das Dokument Bruder Bartholomäus gegeben haben, genau so, wie Annalinde vermutet hat.«
    »Und weil Arnold es bei Ulbert nicht fand, als er ihn tötete, bedrängte er am nächsten Tag dessen Witwe«, ergänzte Garsende. »Und erfuhr, dass es in sicherer Verwahrung im Domstift ist.« Mit einem tiefen Gefühl der Erleichterung erhob sie sich und lächelte den Burggrafen an. »Dann müsst Ihr

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