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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
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deutlich ihre Geringschätzung zum Ausdruck brachte, wandte sie sich Garsende zu. »Hinter dieser Tür befindet sich der Raum, den wir für Beatrix hergerichtet haben. Schwester Lukas und ich werden gelegentlich nach dem Rechten sehen und dir alles, was du benötigen solltest, in die Zelle bringen.«
    Und ansonsten wäre es dir lieb, könnte ich mich unsichtbar machen, dachte Garsende mit einem Anflug von Sarkasmus, doch sie dankte der Nonne mit einem Nicken. Schwester Walburga presste ein »Gott mit dir« hervor. Dann rauschte sie davon.
    Nachdenklich schaute ihr die Heilerin nach. Für Schwester Walburga schien die gebotene Schweigsamkeit weniger der Grundpfeiler ihres Glaubens als Mittel zum Zweck zu
sein, um einen heimlichen Groll zu verbergen. Ob der Groll ein allgemeiner war oder der Tatsache galt, dass sich eine Außenstehende in ihre Belange mischen würde, konnte Garsende jedoch nicht entscheiden.
    Ein erschrockener Laut und ein schwaches Würgen drangen durch die geschlossene Tür und beendeten ihre müßigen Betrachtungen. Rasch trat Garsende in Beatrix’ Krankenstube. Im Dämmerlicht der Lampe sah sie eine Novizin sich damit abmühen, die quälend würgende Kranke bei den Schultern festzuhalten.
    »Was machst du da?«, fragte sie und eilte zur Bettstatt.
    Mit schreckgeweiteten Augen ließ das junge Mädchen von Beatrix ab. »Schwester Lukas wurde ins Hospiz hinübergerufen. Sie bat mich, bei der Kranken zu wachen, bis sie wiederkäme«, sprudelte die Novizin atemlos hervor. »Doch dann ist sie plötzlich zu sich gekommen. Sie schien durstig zu sein. Da gab ich ihr von dem Trank, den Schwester Walburga gemischt hat. Aber sie will ihn einfach nicht bei sich behalten. Und ich … Ich wusste nicht, was tun.«
    Rasch nahm Garsende ihr den Becher aus der Hand, stellte ihn beiseite und beugte sich zu Beatrix hinunter. Unruhig bewegte die Kranke ihren Kopf, während sie schwach versuchte, die Decken und Felle von sich zu schieben, in die man sie eingepackt hatte. Doch ihre Kraft reichte dazu nicht aus. Die blonden Haare hingen, dunkel vom Schweiß, über ihr abgemagertes Gesicht, in dem Nase und Wangenknochen scharf hervorstachen. Ihre fieberglänzenden Augen starrten blicklos an Garsende vorbei, und aus ihrem halb geöffneten Mund drang ein mühsames, pfeifendes Röcheln.
    Rasch streifte die Heilerin ihren Beutel ab, griff nach der ruhelos tastenden Hand und hielt sie fest, während sie Beatrix mit der anderen Hand sacht übers Haar strich und besänftigende Worte murmelte. Allmählich wurde die Kranke ruhiger; ihre Lider schlossen sich.

    Als sie sicher war, dass Beatrix eingeschlafen war, stand Garsende auf und sah sich um. Es war düster und kalt in der kleinen Zelle. Beatrix’ Lager befand sich links der Tür. Über dem Kopfende der Bettstatt hing eine dreiflammige Öllampe an einer schweren Kette, doch nur einer der Dochte war entzündet. Gegenüber der Pforte befand sich ein Fenster, kaum größer als eine Schießscharte, und obwohl der Verschlag fest verschlossen war, kroch der Frost doch durch die Ritzen. Unterhalb des Fensters war eine steinerne Sitzbank in die Wand eingelassen worden, die man zweckentfremdet hatte, um etliche Tiegel, Krüge und Schalen abzustellen. Eine weitere Bettstatt war zwischen Beatrix’ Lager und dem Fenster hergerichtet worden, die offenbar für die Heilerin bestimmt war. Brot und ein Krug, in dem Garsende Wein vermutete, standen daneben auf dem Boden. Garsende lächelte. Selbst wenn ihre Anwesenheit im Kloster ein Dorn im Auge der Äbtissin sein musste, hatte die Ehrwürdige Mutter im Geiste ihres Ordens dafür Sorge getragen, dass es der Heilerin an nichts fehlte.
    »Ich brauche frisches Wasser und ein Kohlebecken«, wandte sie sich an die junge Novizin, die wie fluchtbereit bei der Tür stehengeblieben war und sie mit neugierigen Augen beobachtete. »Kannst du mir das besorgen?«
    Das Mädchen nickte eifrig. Offenkundig erleichtert, etwas tun zu können, das ihre Fähigkeiten nicht überstieg, huschte sie aus dem Raum. Für einen Augenblick blieb Garsende mitten in der Zelle stehen, um sich zu sammeln. Dann machte sie sich an ihre Arbeit.
     
    Es war um einige Zeit später, als eine junge Nonne leise den Raum betrat.
    »Du musst die Heilerin sein«, sagte sie. »Ich bin Schwester Lukas. Die Ehrwürdige Mutter hat mir aufgetragen, dir bei der Pflege zur Seite zu stehen, so gut ich es vermag.«
Und mit einem kleinen Lächeln fügte sie hinzu: »Du musst Nachsicht mit mir

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