Das zerbrochene Siegel - Roman
entkrampften. Keines der Worte, die Serafina geäußert hatte, war mehr gewesen als müßige Plauderei, und dennoch hatte Garsende das Gefühl, als hätten sie eine Warnung enthalten. Wovor und zu welchem Zweck, entzog sich jedoch ihrem Begreifen.
Zutiefst beunruhigt kehrte sie in Beatrix’ Zelle zurück. Die Lust auf einen Spaziergang in den Garten der Nonnen war ihr vergangen.
»… und in der Korngasse, oben beim Stift St. Martin, liegt ein Knabe erkrankt. Seine Mutter berichtet von Fieber und Schwarzgalle, weshalb ich befürchte, dass es sich womöglich um die Cholera handelt«, berichtete Werno mit Grabesmiene.
Bandolf rollte mit den Augen und seufzte. Er hatte seinem
Hausmeier befohlen, die Gassen von Worms zu überprüfen und festzustellen, ob jemand die Bauvorschriften umgangen und sein Haus womöglich um einen Anbau erweitert hatte, der zu weit auf die Gasse hinausreichte.
Über die Häuser wusste Werno wenig zu berichten, um so mehr aber über jeden einzelnen Krankheitsfall in der Stadt.
»Und wie steht es in der Rheingasse?«, erkundigte sich der Burggraf.
Sein Hausmeier legte die Stirn in ernste Falten. »Da scheint es besonders schlimm zu sein«, meinte er. »Einer der Fischer, Henrich mit Namen, liegt mit schwerem Husten darnieder und behauptet, schuld wären die Lichter im Rhein, die stets zur Dämmerung auffunkeln. Davon betört, sei er beim Fischen in den Fluss gefallen, und dort habe ihn der Geist eines toten Fischers heimgesucht, was das Fieber verursacht …«
»Zum Donnerwetter! Ich will wissen, ob du Unregelmäßigkeiten bei den Anbauten in der Rheingasse entdeckt hast!«
Irritiert kratzte Werno seinen kahlen Schädel. »Oh, das, hmm, nun ja, doch, der Stab passte durch«, erklärte er lapidar.
Gewöhnlich ritt der Burggraf selbst jedes Jahr zu Pfingsten mit dem Eichstab durch die Gassen, um zu überprüfen, ob die Bauvorschriften eingehalten worden waren. Dort, wo der Stab nicht durchpasste und an einer Hausfront oder an einem Zaun hängenblieb, erhob er Bußen, die er sich mit dem Bischof teilte. In seiner Order hatte Seine Eminenz jedoch befohlen, der Gassenritt müsse heuer vor Ostern stattfinden, da der König auf seiner Reise nach Speyer in Worms Aufenthalt nehmen wolle. Es würfe ein schlechtes Licht auf die Stadt des Königs, falls Seine Hoheit und dessen Gefolge durch eventuelle Engpässe in den Gassen aufgehalten
werden würden. Da ihm die Zeit dafür fehlte und er auch keinen anderen Mann dafür erübrigen konnte, hatte der Burggraf die Aufgabe kurzerhand seinem Hausmeier zugeteilt.
»Haduwig, welche des Fischers Weib ist, habe ich empfohlen, Henrichs Bettstatt nach Osten auszurichten, ihm ein Kreuz unter das Stroh zu legen und …«
Der Burggraf schnaubte ungehalten.
Zu Wernos Glück wurde sein ausschweifender Bericht vom Vogt des Bischofs unterbrochen. Mit scheelem Blick auf Bandolfs Wange, auf der ein faustgroßer Bluterguss von seinem Abenteuer am vergangenen Abend prangte, berichtete der Vogt, er habe gute Nachricht aus Lorsch bekommen. Der König sei glücklicherweise auf dem Weg der Genesung, und gewiss könne man nun doch die verschärften Sicherheitsmaßnahmen in der Stadt wieder aufheben, die die Bürger von Worms in Aufregung versetzten. Zudem würde König Heinrich, wie ursprünglich beabsichtigt, das Osterfest in Speyer begehen und auf dem Weg dorthin auch die eine oder andere Nacht in Worms verbringen. Der Burggraf wäre ihm, dem Vogt, doch sicher auch nicht gram, dass er schnell wieder weitermüsse, aber nun gäbe es ja noch so viel zu tun, damit auch alles rechtzeitig für Seine Hoheit und den Hofstaat bereit wäre.
Der Vogt gab Bruder Goswin die Klinke in die Hand, der im Fahrtwasser der Burggräfin in die Halle trat, Nase und Wangen von der Kälte draußen gerötet.
Bandolf hieß ihn erfreut willkommen.
»Ich bin in Eile, Burggraf«, erklärte der Bruder Scholasticus und rief mit demselben Atemzug: »Allmächtiger! Hattet Ihr einen Zusammenstoß mit einem Ochsen?«
Unwillkürlich fasste sich Bandolf an die Wange und grinste. »Nur ein übereifriger Wegelagerer, der glaubte, mein Beutel enthalte seine nächste Mahlzeit«, sagte er und
wich Matthäas Blick aus, die einen Krug mit verdünntem Bier auf den Tisch stellte.
»Vielleicht könnt Ihr meinen Gatten davon überzeugen, dass er in Zukunft besser auf sich achtet und wenigstens einen seiner Dienstleute mitnimmt, wenn er die Stadt verlässt«, meinte Matthäa, an Bruder Goswin gewandt.
»Als
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