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Das zerbrochene Siegel - Roman

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Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
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sich um das Jahr 1050 handeln, doch seht her!« Er deutete auf das Schnörkelgebilde neben dem Teilstück des Siegels. »Hier ist noch der untere Haken eines verwischten ›V‹ zu erkennen.«
    »Und um wessen Testament handelt es sich?«
    Bruder Goswin hob bedauernd die Schultern. »Im Siegel kann man nur die Buchstaben ›PHIL‹ erkennen, weshalb ich glaube, dass es ›Philippus‹ heißen mag, doch der Namenszusatz muss auf dem anderen Teilstück des Siegels zu finden sein. Bei den Namenszügen der Zeugen konnte ich aber
nur Hugbertus als den Namen des Abts entziffern, und die Buchstaben ›A‹ und ›l‹ von einem zweiten Namen, ich vermute, die des Priors. Die Unterschrift des Testators ist zwar sicher auch dabei, doch entweder ist es hier nicht zu lesen, oder aber sie befindet sich ebenfalls auf dem anderen fehlenden Stück des Testamentes.«
    »Ist Euch das Kloster Sankt Raffael bekannt? Oder ein Abt mit Namen Hugbertus?«
    »Nein, aber womöglich einem meiner Brüder. Ich werde mich erkundigen.«
    Nachdenklich strich sich Bandolf über seinen Bart. »Ein Testament also«, grübelte er laut. »Was, zur Hölle, kann an einem Testament so gefährlich sein, dass zwei Menschen, womöglich drei, darum sterben mussten?«
    »Zwei? Sprecht Ihr von dem Toten in St. Peter?«
    »Ja, es scheint tatsächlich Arnold von Clemante zu sein. Schwester Lukas, die Beatrix betreute, hat mir bestätigt, dass das irische Kreuz, das der Tote bei sich trug, Arnolds Gattin gehört«, erklärte Bandolf abwesend. »Die Frage ist nun: Für wen ist dieses Testament von so großer Bedeutung?«
    Schweigend schüttelte der Domscholasticus den Kopf.
    »Vielleicht wurde es niemals dem rechtmäßigen Erben zugestellt«, mutmaßte Bandolf. »Und wer immer statt seiner nun den Besitz innehat, würde dafür sorgen wollen, dass dieses Testament unauffindbar bleibt.«
    »Kann das Dokument überhaupt noch Schaden anrichten, nun, da ein Teil davon fehlt?«, warf Goswin ein. »Immerhin sind auf dem abgerissenen Stück hier die meisten Namen der Zeugen verzeichnet, die nun auf dem Hauptteil fehlen. Und auch das Siegel ist nicht mehr vollständig.«
    Eine Weile dachte Bandolf darüber nach, dann meinte er: »Der Fetzen wurde in Beatrix’ Hand gefunden, als sie ins Hospiz gebracht wurde. Das bedeutet, dass sowohl Ulbert
als auch Bruder Bartholomäus das Schriftstück ohne diese Namen zu Gesicht bekamen. Dennoch erkannten sie einen Wert darin, oder eine Gefahr. Ich glaube, es kann auch ohne diesen Fetzen beträchtlichen Schaden anrichten.«
    Bruder Goswin erhob sich. Im Stehen trank er seinen Becher leer und schüttelte die restlichen Tropfen auf den Boden, bevor er ihn in seinem Beutel verstaute.
    »Ich muss weiter und überlasse Euch Euren Gedanken, um die ich Euch nicht beneide, Burggraf«, verabschiedete er sich. Auch Bandolf stand auf, um ihn hinauszubegleiten. Bruder Goswin war schon aus der Tür, als Bandolf noch etwas einfiel: »Habt Ihr Bruder Kilian heute schon gesehen?«, wollte er wissen.
    Der Scholasticus runzelte die Stirn. »Bei der Prim. Warum fragt Ihr?«
    »Befand er sich wohlauf?«
    Bruder Goswins Stirnrunzeln vertiefte sich. Mit seinem Kinn wies er auf den dunkelroten Bluterguss, der die Wange des Burggrafen zierte. »Ihr fragt doch nicht etwa darum?«
    »Genau darum«, knurrte Bandolf. »Habt Ihr ihn gestern zur Vesper im Domstift gesehen?«
    Bruder Goswin schüttelte den Kopf. »Falls Bruder Kilian sich heute nicht wohlgefühlt hätte, ließ er nichts dergleichen erkennen«, antwortete er schließlich bedächtig. »Ich hatte aber auch keine besondere Acht darauf.«
    »Das solltet Ihr vielleicht nachholen«, empfahl Bandolf, bevor er die Tür hinter seinem verstört wirkenden Freund schloss.
     
    Nur wenig später verließ auch der Burggraf das Haus und lenkte seine Schritte in Richtung der Bischofspfalz. Die Antwort auf die Frage bezüglich Bruder Kilians Wohlbefinden interessierte ihn nicht nur im Zusammenhang mit dem Benediktiner. Ebensolches Interesse hegte er in Bezug auf
das Befinden Raouls de Saint Rémy und Lothars von Kalborn. Er wollte sich selbst davon überzeugen, ob bei einem der beiden Edelmänner nicht womöglich ein Abdruck seiner Faust zu finden wäre.
    Es hatte aufgehört zu schneien, doch der Schnee war liegengeblieben und knirschte unter den Sohlen seiner Stiefel. Mit einem Anflug von Besorgnis dachte Bandolf an seinen jungen Schreiber, den er ins Bergland geschickt hatte. Vielleicht war Matthäa im Recht

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