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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
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und Antwort stehen soll?«, knurrte Raoul de Saint Rémy zwischen zwei Bissen, die er mit kräftigen Zähnen von seiner Hasenkeule abriss. »Mein Name hat Gewicht in Burgund und anderswo, da bin ich Euch doch keine Rechenschaft schuldig.«
    Der Burggraf hatte ihn in der Bischofspfalz angetroffen, wo er just ein verspätetes Mittagsmahl einnahm. Angesichts der Speisen auf dem Tisch begann Bandolfs Magen zu knurren, hatte er doch seine Mahlzeit versäumt. Bislang hatte Raoul ihm weder einen Platz angeboten, noch schien er gewillt, sein Mahl zu teilen, was Bandolfs Laune nicht eben förderlich war. Für Burgund hoffte er, dass der Mangel an Gastfreundlichkeit bei Raoul eine Ausnahme wäre.
    »Ich erkläre es Euch gerne ein zweites Mal«, brummte er gereizt. »Ihr seid in der Stadt des Königs, und als Burggraf von Worms vertrete ich das Recht des Königs.«
    »Das Recht des Königs«, schnaubte Raoul abfällig.
    »Auch Eures Königs«, sagte Bandolf scharf.
    Für einen Moment schien es ihm, als läge dem Burgunder eine unverfrorene Bemerkung auf den Lippen, doch dann besann er sich offenbar eines Besseren. Bedächtig legte er die Hasenkeule beiseite, wischte sich die Finger an seinem Hemd ab und griff nach seinem edel gepunzten Zinnbecher. Seine dunklen Augen hefteten sich auf Bandolfs Wange, dann bellte er plötzlich: »Allmählich wird mir klar, was Ihr von mir wollt, Burggraf. Jemand hat Euer Gesicht verziert, und Ihr wollt es mir anlasten.«
    »Hätte ich denn recht damit?«, erkundigte sich Bandolf.
    Raoul lachte schallend. »Diesmal noch nicht, Burggraf. Aber wer weiß, ob wir nicht eines Tages einen Strauß miteinander auszufechten haben.«
    »Dann könnt Ihr ja unbesorgt meine Frage beantworten«,
sagte Bandolf ungerührt. »Wo seid Ihr gestern zur Zeit der Vesper gewesen?«
    »Ich habe Freunde in Speyer, Burggraf«, meinte Raoul vage. »Vor zwei Tagen brach ich auf und bin gestern spät zurückgekehrt.«
    »Wie spät?«zu
    »Herrgott, nach der Vesper. Wie Ihr auch im Stall hättet erfahren können, wo mein Brauner steht.«
    »Und wem galt Euer Besuch in Speyer?«
    Raouls Hand, die den Becher an die Lippen führte, stockte. Für einen Moment kniff er die Augen zusammen. »Erkenbrecht vom Speyergau und seiner Gemahlin Blanche.«
    Der Name von Raouls Kumpan kam Bandolf bekannt vor, doch das Woher entzog sich just seinem Zugriff. Er runzelte die Stirn, während er den Burgunder musterte. Eine Narbe schimmerte durch die starke Brustbehaarung von Raouls Hemd, dessen Verschnürung gelockert war, aber einen Bluterguss oder eine sonstige Verletzung konnte er weder dort noch in dem kantigen Gesicht entdecken.
    »Als Ihr gestern zurückkehrtet, seid Ihr da Bruder Kilian oder Lothar von Kalborn begegnet?«, fragte er.
    »Den Mönch habe ich gesehen, den Edelmann nicht.«
    »War der Mönch wohlauf?«
    »Bei allen Heiligen, Burggraf, woher soll ich das wissen? Gefragt habe ich ihn nicht. Er schlich sich hastig in sein Quartier, als käme er just von einem Weib.«
    Mehr war von Raoul de Saint Rémy nicht mehr zu erfahren, doch ungewollt hatte er den Burggrafen auf einen Gedanken gebracht, und als er die Pfalz verließ, steuerte er die Ställe des Bischofs an.

KAPITEL 14
    A m zweiten Tag ihres Aufenthalts im Kloster zeigte Garsendes Behandlung einen ersten, wenn auch kleinen Erfolg. Für einen kurzen Moment kam Beatrix zu sich und blickte die Heilerin mit klaren Augen an. Nachdem Garsende ihr erklärt hatte, wer sie war und was sie hier tat, hielt sie ihr einen Löffel des Fenchelabsuds an die Lippen, und Beatrix trank. Obgleich ihr das Schlucken noch Mühsal zu bereiten schien und sie nach zwei weiteren Schlucken wieder erschöpft in Schlaf sank, behielt sie den Absud bei sich. Gegen Abend konnte sie noch einige Schlucke mehr trinken, ohne zu erbrechen, und am darauffolgenden Tag ersetzte Garsende den Fenchel durch einen Absud von Spitzwegerich, der die Rotgalle aus Beatrix’ Lungen treiben sollte. Zunächst schien es, als würde sie auch diesen Trank willig bei sich behalten, doch gegen Nachmittag begann sie wieder zu würgen. Dennoch fühlte sich die Heilerin ermutigt. In dem dünnen Faden Weißschleim, den die Kranke erbrochen hatte, war keine Spur von Blut mehr zu sehen.
    Nach dem mühseligen Würgen sank Beatrix ermattet auf ihr Lager zurück. Garsende glaubte, sie sei eingeschlafen, doch plötzlich hob sie die Lider.
    »Ich werde sterben«, wisperte Beatrix.
    Erschrocken kniete Garsende neben der Bettstatt nieder und

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