Das zitternde Herz
zu sagen pflegte –, verkündete sie, daß Toni nicht kommen werde, da sie mit diesem Treffen nicht einverstanden war.
Harriet mochte, das war immerhin möglich, als Freundin durchgehen, die einfach zu Besuch kam in dieser schwierigen Zeit. Kate hatte den Single Malt Scotch, Eis und Gläser gebracht und war ganz offensichtlich zum Handeln bereit. Sie schenkte den Scotch ein und begann zu sprechen.
Harriet öffnete den Mund, um zu protestieren, aber erst, wie Kate bemerkte, nachdem sie ihn mit etwas Whisky befeuchtet hatte. Kate hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. »Hör mir zu«, sagte sie. »Ich habe euch zwei Tage zugehört, ich habe einen Hund bei mir aufgenommen« – der, vielleicht erschöpft von seinen Ausflügen, in einem Lehnstuhl schlief – »und jetzt bin ich dran mit Reden.«
Harriet wußte, wann Argumente vergeblich waren und Zuhören die einzige vernünftige Antwort. Sie lehnte sich zurück, seufzte und schwieg.
»Ich habe mir alles noch einmal durch den Kopf gehen lassen, von Anfang an – und ich bin zu neuen Schlußfolgerungen gekommen. Meine erste Folgerung lautet so: wie eng verbunden mit ultra-rechten Gruppierungen der Student, der diesen antifeministischen Brief geschrieben hat, auch immer sein mag, er ist nicht der einzige frauenfeindliche Student, der rumläuft. Du erinnerst dich sicher an diese Jungs aus Cornell, die Hetztiraden schrieben, Frauen das Recht auf freie Meinungsäußerung absprachen und sich einen Freibrief für Vergewaltigung verschaffen wollten – sie machten das per E-Mail, glaube ich, aber die Verbreitungsmittel sind irrelevant.« Harriet nickte – ja, sie erinnerte sich. »Also«, fuhr Kate fort, »habe ich mir überlegt, ob irgendwelche Studenten vielleicht etwas gegen mein Seminar hatten oder diese Art Entführung womöglich für ebenso witzig wie eine Vergewaltigung hielten, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Ganz und gar«, sagte Harriet und trank einen Schluck Whisky.
»Hier ist noch ein anderes Beispiel«, sagte Kate, nahm einen Zei-tungsausschnitt und wedelte damit vor Harriet herum, die ungerührt zusah. »Ein Artikel in Academe, der Zeitschrift von der AAUP, der Vereinigung amerikanischer Universitätsprofessoren. «
»Die ist mir nicht unbekannt«, warf Harriet sanft ein; Kate nahm keine Notiz von ihr. »Professor Susan Gubar berichtet folgendes:
›Was mache ich, wenn ich an meiner Bürotür eine Nachricht mit der Drohung finde, ein im Rahmen der Women’s Studies stattfindendes Symposion über sexuelle Gewalt zu sprengen oder, noch schlimmer, wenn dieselbe Tür völlig mit Brandzeichen versengt ist? Was mache ich, wenn ein Student gegen die einzige Vorlesung über Frauenfra-gen protestiert, weil »da zuviel Feminismus drin ist«, indem er das Unterrichtsmaterial vor dem ganzen Auditorium zerreißt? Oder wenn mir eine meiner Doktorandinnen berichtet, sie habe Zettel von einem Typen aus dem ersten Semester bekommen, der ihr droht, sie zu verfolgen?‹ Ich lese dir das nur vor«, erklärte Kate, »damit du siehst, worauf ich hinaus will.«
»Das weiß ich schon lange«, sagte Harriet. »Aber vergiß nicht, daß Susan Gubar in Bloomington/Indiana unterrichtet, wo sie ein bißchen gröbere Methoden haben als hier.«
»Genau. Sie mögen nicht raffiniert genug sein, um sich einen Entführungsplan zurechtzulegen, aber meine Studenten sind es; ich wollte nur mal die Situation ganz allgemein beschreiben. «
»Beschreibung angenommen.«
»Okay. Was ich für möglich halte, wie du zweifelsohne bereits vermutet hast, ist, daß das Ganze durchaus der Streich irgendeines Studenten sein könnte, bevorzugt eines, der einer Burschenschaft angehört. Diese Vermutung gründet sich auf das, was mir einige meiner Studentinnen erzählten, von Übergriffen auf sie in Burschenschaften – wenn auch nicht in allen, wie man hoffen darf –, und ich habe vor, dieser Möglichkeit so weit wie irgend möglich nachzuge-hen. Zum Beispiel, wer hat diese Limousine angemietet, in der Reed entführt worden ist?«
»Daran hat Toni natürlich gedacht. Sie hat bereits herausgefunden, daß das Auto auf der Grundlage eines Sozietätsabkommens gemietet wurde, das der Vater eines Studenten deiner Uni mit einer Limousinen-Firma hat.«
»Nett von dir, daß du mich informierst«, warf Kate dazwischen,
»wenn auch grammatikalisch etwas ungelenk.«
Harriet überhörte das. »Ein Mann rief an, bestellte das Auto, nannte den Namen der Firma und gab die Kontonummer an.
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