Das zitternde Herz
die Absicht gehabt hatte, sie zum Lachen zu bringen, war sie erfolgreich. Noch immer kichernd begleiteten sie Emma zur Tür. »Wir bleiben in Verbindung, ja?« sagte Emma.
»Jetzt bin ich soweit, daß ich jeden verdächtige«, sagte Kate zu Reed, als sie ins Wohnzimmer zurückgingen und sich noch einen Drink einschenkten. »Erstens, was weißt du eigentlich wirklich über Emma Wentworth?«
»Also, ich kenne sie nicht erst seit heute«, sagte Reed. »Ich sitze in dem Ausschuß, der dafür plädiert hat, sie als Gastprofessorin einzuladen, das heißt, während ich sie noch nicht lange persönlich kenne, kannte ich doch ihre Leistungen und ihren Ruf. Kolossal beeindruckend, beides. Sie gilt als Kapazität auf dem Gebiet rechtsextremer Gruppierungen, der Organisationen und Gelder, mit denen sie unterstützt werden, und der legalen Möglichkeiten, ihre Erfolge zumindest teilweise zu verhindern. Nicht«, fügte Reed hinzu, »daß das viele wären.«
»Wo du es gerade erwähnst«, sagte Kate, »ich frage mich schon lange, warum niemand diese kirchlichen Vereinigungen, die keine Steuern zahlen müssen, daran hindert, ihre Leute in Bussen zu irgendwelchen politischen Aktionen zu karren. Warum unterbindet das niemand? Wenn man von Steuern befreit ist, kann man nicht politisch sein, oder?«
»Ja. Aber selbst die liberaleren Kirchen würden sich gegen ein solches Vorgehen sperren. Sie wollen nicht, daß ihr Steuerbefrei-ungsstatus überhaupt zur Diskussion gestellt wird.«
»Hätte ich mir denken können. Aber, Reed, hältst du es wirklich für wahrscheinlich, daß ein Mitglied meines Fachbereichs der Täter ist? Ich weiß, daß manche ein bißchen autokratisch sind, und manche sind ganz unerträglich konservativ, aber ich wüßte nicht, daß irgendeiner von ihnen sich der religiösen Rechten verschrieben hätte.
Schließlich leben wir nicht in South Carolina.«
»Womöglich wirst du feststellen, daß einigen deiner Kollegen das lieber wäre.«
Kate war sich noch immer nicht im klaren darüber, wie sie die politischen Anschauungen ihrer Kollegen zutage fördern sollte, etwas, worüber sie sich nie Gedanken gemacht hatte, zumindest nicht in letzter Zeit. Sie erinnerte sich, daß die meisten von ihnen, jedenfalls diejenigen, die überhaupt davon gesprochen hatten, Nixon verabscheuten und Ronald Reagan für eine Witzfigur hielten, einen Mann, der glaubte, im Zweiten Weltkrieg gekämpft zu haben, nur weil er in Filmen darüber mitgespielt hatte. In letzter Zeit jedoch waren die internen fakultätspolitischen Probleme so aufgeladen gewesen, daß allgemeine politische Fragen anscheinend gar nicht auf-kamen. Jedenfalls ging es, wann immer sie mit einem Kollegen beim Lunch war, immer nur um Klatsch – über den Fachbereich oder über Leute an anderen Universitäten. Kate war immer wieder erstaunt, wieviel einige ihrer männlichen Kollegen über das persönliche Leben von Anglistik-Professoren an entfernten Universitäten wußten, und sie mußte zugeben, daß sie den Klatsch amüsant fand. Aber Politik? Darüber schien niemand jemals zu klatschen.
Doch dann, gleich am nächsten Tag, als sie gerade im Begriff war, den Campus zu verlassen, trat ein Professor, den sie kaum kannte, an sie heran und bat um ein Gespräch. Nathan Rosen galt als außerordentlich erfolgreich auf seinem Gebiet: Er hielt vor allem Einführungskurse für Studienanfänger, ein Unterrichtsressort, das Kate für oberflächlich und zum Verrücktwerden repetitiv hielt. Ihre schuldbewußte Abneigung gegen diese Kurse veranlaßte sie zu gro-
ßem Respekt gegenüber denjenigen, die einwilligten, solche Kurse Jahr für Jahr zu übernehmen und sie gut machten.
»Sollen wir einen Kaffee trinken?« fragte Kate.
»Ich mag die Restaurants hier nicht besonders«, sagte Nathan.
»Ich lebe koscher.« Fast aus Versehen blickte Kate auf seinen Kopf.
Er trug keine Kippa. Er fing ihren Blick auf. »Ich trage sie nur zum Essen und zu bestimmten anderen Anlässen«, sagte er. »Nicht hier.
Aber ich wollte mit Ihnen über einen Studenten sprechen, der seine immer trägt. Könnten wir in mein Büro gehen?«
Kate nickte und folgte ihm, während sie sich fragte, ob sie nun gleich des Antisemitismus bezichtigt werden würde. Neuerdings beklagten sich die Studenten über die kleinste Bemerkung, die wo-möglich als Affront gedeutet werden konnte. Im großen und ganzen hatte Kate Verständnis für die Sensibilitäten, die mit der eigenen Herkunft zu tun hatten, und sie bemühte
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